THE EQUALIZER – Bundesstart 09.10.2014
Erst waren 2005 die Weinstein Brüder. 2010 kamen die Rechte zu Esacape Artists. Dann war da Paul Haggis, mit Russell Crowe in der Hauptrolle. Nach deren Ausstieg war Denzel Washington sehr interessiert. Regisseur Nicolas Winding Refn stieg aber nach Vertragsunstimmigkeiten während der Dreharbeiten aus. Denzel Washington blieb, und es kam Antoine Fuqua. Der Mann, der mit TRAINING DAY das Vehikel für Washingtons zweiten Oscar inszenierte. Als Produzent, wird der Schauspieler auf die Wahl des Regisseurs vielleicht ein klein wenig Einfluss gehabt haben. Obwohl auffallend ist, dass beide seit dem riesigen, und verdienten Erfolg von TRAINING DAY, für eine erneute Zusammenarbeit dreizehn Jahre vergingen ließen. Erneut ein wunderbares Beispiel, was alles mit einem Filmprojekt passieren kann, und unweigerlich das was-wäre-wenn heraufbeschwört. Aber auch erneut ein Beispiel, dass es in Hollywood oftmals unergründliche Wege gibt, die alles zum Besten weisen. Denn dieses Remake der gleichnamigen TV-Serie ist nicht makellos, aber bereitet einem geneigten Publikum genau jenes Vergnügen, auf welches es zu hoffen wagte.
Muss es eigentlich sein, dass man aus Mangel an Ideen, die ganzen ausgedienten Geschichten erneut durch die Produktionsmühlen schiebt? Grundsätzlich, nein, muss es nicht. Jede Originalgeschichte ist besser, als ideenloses Wiederaufbereiten. Was allerdings Richard Wenk mit dem Drehbuch, und Antoine Fuqua mit seiner Inszenierung bieten, kann nur an Eckpunkten etwas mit der Serienvorlage zu tun haben. Denn als Endprodukt ist THE EQUALIZER weder Remake, noch Geldschneiderei. THE EQUALIZER ist ein sehr eigenes, sehr persönliches Werk von Fuqua und Washington. Es ist ihr ureigenster Film geworden, der mit jeder Minute die Energie dieses Duos atmet. Wie Washington bescheiden, fast hilflos wirkend, seinen Routinen nachgeht, da spürt man in seiner Präsenz, das er bei allem was kommen mag, das Richtige tun wird. Selbst seine liebsten Mitarbeiter, wirkliche Freunde hat er nicht, nennen ihn einfach Mister McCall. Er ist korrekt, ruhig, kann unübertrieben humorvoll sein, sehr hilfsbereit ist er, und eigentlich mag ihn jeder. Später werden wir lernen, das Mister McCall an Zwangsneurosen leidet. Seine Wohnung ist auf das Notwendigste eingerichtet, sein Geschirr wird sofort gespült, den Teebeutel für den täglichen Besuch im Stammlokal bringt er sorgfältig eingewickelt selber mit. Das er eine Frau hatte, erfahren wir, aber über ihr Schicksal kann man nur spekulieren. Mit Mister McCall verkörpert Washington seinen bisher am wenigsten ausgearbeiteten Charakter. Der Schauspieler selbst kam dabei auf die Idee der Zwangsstörung, und recherchierte bei Betroffenen. Washington damit auf der Leinwand zu beobachten, ist unglaublich spannend und intensiv. Und es macht den Charakter unberechenbar.
Dem Film geht das Zitat von Mark Twain voran: Die beiden wichtigsten Tage in deinem Leben ist der Tag, an dem du geboren wurdest, und der Tag an dem du herausfindest, warum. Mister McCall erlebt diesen zweiten Tag in Gestalt der Prostituierten Teri, die ebenfalls jede Nacht im selben Lokal verbringt, und dort auf Kundschaft wartet. Denn eines Tages ist Teri nicht vor Ort, als Mister McCall in seiner Stammnische Platz nimmt, und das bringt gewaltig seine eingeschliffene Routine durcheinander. Dabei wird aus Mister McCall mit einem Mal Robert, jene zurückgehaltene Person, bei der sich plötzlich eine persönliche Bindung bemerkbar macht. Und die wäre besser unbemerkt geblieben, für all die Zuhälter, Drogendealer und Mafiabosse in Robert McCalls Revier.
Geradliniger hätte Antoine Fuqua den Film nicht inszenieren können. Da gibt es keine überraschenden Wendungen, keine trickreichen Entwicklungen. Mit diesem Titel, und nur einem geringen Anteil an Information, weiß man wohin der Film steuern wird. Und er hält den Kurs direkt, vollkommen konstant, und das dürfte für manche Zuschauer wirklich zu harter Kost werden. Denn hat Robert McCall seinen zweiten Tag erreicht, dann geht er dieser Bestimmung in aller Konsequenz nach. Und Fuqua bleibt dabei. Auf eine fast perverse Art, zelebriert der Film die „ausgleichende“ Gerechtigkeit, der Robert nachgeht. Hier ertappt der Film den Zuschauer bei seiner eigenen satistischen Seite, wenn der Equalizer die eigentlichen Täter nicht einfach nur sterben lässt, sondern ihnen im Sterben lange Zeit gibt, um sich über alles bewusst zu werden. Das mag moralisch sehr fragwürdig sein, so wie es ein Tod als ausgleichende Gerechtigkeit grundsätzlich ist. Im Kino selbst ist es allerdings immer eine Frage der emotionalen Genugtuung gewesen, dass ein Mensch, der so viel Leid über andere brachte, ohne die Erkenntnis über das eigene Tun, vom Helden ins Jenseits befördert wurde. Aber nicht nur die Täter werden leiden, denn THE EQUALIZER ist alles andere als zimperlich. Und das Robert McCall in seinem zivilen Leben als unbescholtener Jedermann in einem Heimwerker-Markt arbeitet, lässt viele absonderliche Möglichkeiten des Ablebens offen.
Interessant in dieser gesamten Prämisse, ist die Frage eines Zuschauers nach dem Film, warum dieser so verdammt spannend war, obwohl alles so absehbar war. Vielleicht weil es nur oberflächlich so absehbar war, aber im Inneren immer noch diese besondere Atmosphäre hielt. Washington hat mit Tony Scott einmal den grandiosen MAN ON FIRE gemacht, (Spoiler) in dem die Geschichte nur ein gutes Ende nehmen konnte, wenn der Held sein Leben opfern würde (Spoiler Ende). Und genau diese unheilvolle Atmosphäre haben Fuqua und sein Kameramann Mauro Fiore geschaffen. Alles kann zu jederzeit passieren. Allerdings ist ein wesentlicher Bestandteil davon Denzel Washingtons minimalistisches Spiel, welches durch reine Präsenz und Chemie zum Zuschauer funktioniert. Mauro Fiore folgt mit seinen Bildern nicht einem künstlerischem Prinzip, sondern nimmt die individuelle Atmosphäre der einzelnen Sequenzen, und unterstreicht sie mit ganz klaren Konturen, ohne sich unterwerfen zu müssen. Aber diese kontrastreichen, kaum mit Unschärfen gestalteten Bilder, werden zu einem emotionalen Gestaltungsmittel, welches das Gefühl weitergibt, es könnte wirklich alles möglich werden.
Man kann viel über Cloë Grace Moretz‘ Leistung jubilieren, oder das ein oder andere Wort über Marton Csokas hervorragenden Killer verlieren. Letztendlich ist es aber ein Film, der allein von Denzel Washington geradezu dominiert wird. Das würde man anderorts als klaren künstlerischen Verstoß ansehen, bei EQUALIZER allerdings funktioniert Handlung und Spannung ausschließlich über diesen außergewöhnlichen Mann, der seine Filme stets mit unbeschreiblichen Charisma anreichert. Und wer aus der Vorstellung kommt, dem drängt sich förmlich die Frage auf, warum zur Hölle Fuqua und Washington dreizehn Jahre brauchten, um wieder miteinander zu arbeiten.
Darsteller: Denzel Washington, Marton Csokas, Cloë Grace Moretz, Johnny Skourtis, David Harbour, Haley Bennett, Bill Pullman, Melissa Leo, David Meunier u.a.
Regie: Antoine Fuqua
Drehbuch: Richard Wenk, nach der TV-Serie von Michael Sloan & Richard Lindheim
Kamera: Mauro Fiore
Bildschnitt: John Refoua
Musik: Harry Gregson-Williams
Produktionsdesign: Naomi Shohan
USA / 2014
131 Minuten