AM SONNTAG BIST DU TOT

CALVARY – Bundesstart 23.10.2014

Die Besprechung basiert auf der englischen BluRay-Fassung

Calvary-1, Copyright Ascot Elite Entertainment / Momentum PicturesEs wird kräftig damit geworben, dass dieser Film von den Machern und Darstellern von THE GUARD – EIN IRE SIEHT SCHWARZ kommt. Das ist auf der einen Seite durchaus förderlich, um ein weniger informiertes Publikum anzusprechen. Auf der anderen Seite, ist das allerdings auch sehr irreführend. John Michael McDonagh hat die bissigen, bitterbösen Dialoge durchaus beibehalten, aber Geschichte und Atmosphäre bei AM SONNTAG BIST DU TOT weichen von THE GUARD soweit ab, dass beide Filme kaum miteinander zu vergleichen sind. Brendan Gleeson besetzt erneut die Hauptrolle, aber auch hier mit einem vollkommen anderen Charakter. Er spielt Father James, den bescheidenen und gütigen Priester eines kleinen irischen Städtchens. Der Film beginnt im Beichtstuhl, wo ein Mann dem Geistlichen berichtet, im Alter von sieben Jahren von einem Priester missbraucht worden zu sein, der allerdings mittlerweile verstorben ist. Also wird der Mann eine Woche später, als emotionalen Ausgleich, Father James ermorden. Denn der Tod eines guten Priesters erregt mehr Aufmerksamkeit, als der, eines ohnehin bösen Priesters.

Egal welche Statistik man heranzieht, sind mindestens 85% aller Iren katholisch. Der katholische Glauben und seine Institutionen sind nicht einfach fester Bestandteil Irlands, sondern es sind die Säulen dieser Nation. Umso erschütterter reagierte eben diese Nation auf immer weiter um sich greifende Anschuldigungen gegen Priester wegen Kindesmisshandlung oder Veruntreuung von Kirchengeldern. AM SONNTAG BIST DU TOT ist eine bestechende Analogie auf die augenblicklichen Verhältnisse zwischen dem Volk Irlands und seiner Kirche. Ununterbrochen sieht sich Father James Anfeindungen ausgesetzt, oder muss sich dumme Witze  gefallen lassen. Doch der Zuschauer weiß vom Anfang im Beichtstuhl, dass Father James dies nicht verdient hat, weil er zu den Guten gehört. Das ist das bitterböse Moment in McDonaghs fantastisch geschriebenen Film. Spott und Häme, Hass und Kaltschnäuzigkeit. All das erträgt der Priester mit gütiger Gelassenheit. Dafür sind die Probleme der anderen Schäfchen in seiner Gemeinde viel wichtiger. Das er dann auch noch sterben soll, wird für den Mann schließlich zu einer Prüfung.

Die einzigen kräftigen Farben im Film gibt es am Anfang im Beichtstuhl, danach bestimmt Larry Smith‘ Farbgebung in den weitgehend blass gehaltenen Bildern viel von der Stimmung, die Brendan Gleeson zu umgeben scheint. Eine kräftiger Farbpalette gibt es nur noch zweimal, ausgerechnet wenn das Schicksal dem guten Priester übel mitspielt. Soll es gar die Erlösung für Father James symbolisieren, wenn seine persönliche Welt im Glanz von beruhigenden, warmen Farben zu Grunde gehen scheint?  Gleeson spielt seinen Father James niemals stoisch, oder ausdruckslos. Das irische Urgestein ist ununterbrochen dabei Gefühle zu verarbeiten, und diese gerade wegen seines zurück genommenen Spiels, den Zuschauer mitfühlen zu lassen. War Gleeson in seinen bekanntesten Filmen allein schon wegen seiner Erscheinung stets mit eher extrovertierte Figuren aufgefallen, zeigt er hier eine unglaubliche Sensibilität, die man tatsächlich als „leise“ charakterisieren könnte. Aber das darf auf keinen Fall mit duckmäuserisch oder zurückhaltend verwechselt werden. Father James ist kein Charakter der die Auseinandersetzung scheut, oder dazu neigt nach zu geben. Brendan Gleeson nimmt den Zuschauer einfach mit atemberaubender Ehrlichkeit gefangen.

Sieben Tage bleiben Father James, um sein endgültiges Schicksal zu erfahren. Ihn begleiten auf diesem Weg sehr eigentümliche Figuren, die immer wieder den Charakter des Priesters konterkarieren. Ein einnehmendes Panoptikum von Gestalten, die tatsächlich einen Querschnitt von Irlands Bevölkerung bilden könnten. Sie alle verdichten die Spannung um die eigentliche Prämisse. Einer von ihnen ist der sich selbst angekündigte Mörder. Der Priester weiß wer es ist, wie er selbst seinen Vertrauenspersonen offenbart. Ob Chris O’Dowd, Aidan Gillen, M. Emmet Walsh, oder Isaach De Bankolé, Domhnall Gleeson, eigentlich das gesamte Ensemble. John Michael McDonagh hat sich nicht eine Fehlbesetzung in seinem Film erlaubt, die allesamt hervorragend überzeugende Individuen verkörpern. Die wunderbare Kelly Reilly ist als gebürtige Engländerin die einzige Nicht-Irin in der Geschichte. Hier gönnt sich der Film den Spaß, ihren jahrelangen Wohnort in London anzugeben, um ihren nicht ganz irischen Dialekt zu erklären. Freunde von THE GUARD wird es besonders freuen, Michael Og Lane erneut als naseweisen Dreikäsehoch erleben zu dürfen.

AM SONNTAG BIST DU TOT dürfte einer der scharfsinnigsten Filme sein, die man aktuell im Kino bewundern durfte. John Michael McDonagh hat mit seinem als Analogie angedachten Werk wirklich den Kern des Anliegens getroffen, ohne offensichtliche Klischees bemühen zu müssen. Das zu Herzen gehende Drama ist überzeugend, extrem spannend, aber zum Teil auch leichtfüßig amüsant, aber immer unterhaltsam. Das Ende tut sein übriges, um bei den Zuschauern nach zu wirken.

Calvary-2, Copyright Ascot Elite Entertainment / Momentum Pictures

Darsteller: Brendan Gleeson, Chris O’Dowd, Kelly Reilly, Aidan Gillen, Dylan Moran, Isaach De Bankolé, M. Emmet Walsh, Marie-Joseé Croze, Domhnall Gleeson, Michael Og Lane u.a.
Drehbuch & Regie: John Michael McDonagh
Kamera: Larry Smith
Bildschnitt: Chris Gill
Musik: Patrick Cassidy
Produktionsdesign: Mark Geraghty
Irland – Großbritannien / 2013
100 Minuten

Bildquelle: Ascot Elite Entertainment / Momentum Pictures
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