BEARS – Bundesstart 13.11.2014
Die Abenteuer des wahren Lebens, True Life Adventure. Es ist ein wunderbar betiteltes Sub-Genre, mit dem Disney unter dem Label DisneyNature wieder verstärkt mit Natur-Dokumentationen in die Kinos kommt, was bereits 1948 begonnen hatte. Seit 2007 gab es UNSERE ERDE, IM REICH DER RAUBKATZEN und SCHIMPANSEN, bei denen Alastair Fothergill die Regie mit jeweils einem Partner übernommen hatte. Nach den RAUBKATZEN ist es bei BÄREN die zweite Zusammenarbeit mit Keith Scholey. Fothergills Dokumentationen sind die finanziell erfolgreichsten Naturfilme in Spielfilmlänge. Man sieht aber auch warum, und deswegen wird sich auch BÄREN in diese Reihe einfügen. In zwei Jahren haben sechzehn Kameraleute Bilder gesammelt und Situationen eingefangen, die oft faszinieren, und viel öfter atemberaubend sind. Man kann sich als Außenstehender überhaupt keine Vorstellung machen, wie die Produktionsbedingungen gewesen sein müssen. Selbst der kleine Exkurs den der Abspann dem Zuschauer als Blick hinter die Kulissen bietet, wirft nur noch mehr Fragen auf, die Keith Scholey selbst beantwortet hat.
Im Katmai National Park von Alaska gibt es eine Population von 2000 Braunbären. Drei von ihnen sind Sky und ihre zwei Neugeborenen Amber und Scout. Im angehenden Frühjahr verlassen sie ihre Höhle, und beginnen ihren beschwerlichen Abstieg von den verschneiten Berghöhen, hinab an die Küste. Es wird eine beschwerliche Reise, weil böse und ausgestoßene Bären wie Chinook, gegen den Hunger auch keinen Bärenkinder abgeneigt sind. Zudem fällt es Sky schwer genug Nahrung für sich zu finden. Denn in erster Linie sind die wenigen warmen Monate nur dazu da, sich einen ganz ordentlichen Speckgürtel anzufressen, um Amber und Scout mit Muttermilch über den nächsten Winter zu bringen. Doch gerade wegen der Kinder, die sie immer im Auge behalten muss, hat Sky gegenüber den vielen anderen Bären beim Lachsfang immer das Nachsehen. Am Strand kommt neben Chinook auch noch der gewaltige Wolf Tikaani als Gefahr für die Bärenkinder hinzu.
Keith Scholey: „Da gibt es keinen negativen Einfluss des Menschen, so haben die Bären überhaupt nicht auf die Leute reagiert. Wir sind in den Auen herum gegangen und die Bären haben uns weitgehend ignoriert, und haben das gemacht, was sie so tun, wenn niemand zusieht. Für Wildtier-Filmemacher die perfekte Situation. Ein Platz wo wir fast unsichtbar waren, und wir die Bären-Gemeinschaft so festhalten konnten wie sie sich eben verhalten.“
Wie die Abspannbilder imposant demonstrieren, ist man dabei den Bären aber weit näher gekommen, als man wirklich annehmen würde. Doch die Produzenten und ihre Kameraleute sind erfahrene Tierfilmer, deswegen gab es auch keine unangenehmen Zwischenfälle. Das Material haben Fothergill und Scholey mit Andy Netley zu einer unterhaltsamen, manchmal auch spannenden Geschichte zusammengestellt. Die Dramaturgie allerdings fällt weit hinter die von SCHIMPANSEN zurück, der ebenfalls von Netley geschnitten wurde, und extrem ausgereifte Spannungsbögen aufzubauen wusste. BÄREN hinkt diesem Konzept eines Spielfilms leider immer hinterher. Zu offensichtlich ist das Bemühen um einen künstlichen Spannungsaufbau, eine dramatische Steigerung läuft dann im Verlauf von Skys Nahrungsproblemen langsam ins Leere.
Wenn man an der künstlich erzeugten Handlung Makel erkennen will, bei den Bildern gibt es die in keiner Szene. Imposante Landschaften und eindrucksvolle Bären-Bilder gibt es am Stück. Mal angsteinflößendes Imponiergehabe von ausgewachsenen Männchen, dann wieder der Knuddel-Effekt bei den Jungen. Es ist ein ständiges und bei Laune haltendes auf und ab der Gefühle. Ein echter Coup ist den Kameraleuten gelungen, wenn der einjährige Scout einmal alleine den ausgewachsenen Tikaani vertreibt, und später noch einmal mit seiner Schwester, ohne das sich die Mutter einmischen muss. Aber auch wenn sich Tikaani einmal am Strand von hinten an einen Lachs fressenden Bären heran schleicht, um ihm seinen Vorrat direkt unter seinem Bauch weg zu stehlen, ohne das der Bär etwas davon merkt.
Ein wirklicher Schwachpunkt ist aber John C. Reilly als Sprecher in der Originalfassung. Es gibt viel zu viel Text, keine Szene bleibt unkommentiert, Sequenzen einfach wirken zu lassen fehlt leider. Und Reilly übertreibt einfach in seinen Betonungen, und konzentriert sich zu sehr auf eine kindliche Naivität, anstatt die Stimmung altersübergreifend zu halten. Es ist aber nicht nur Reilly zuzuschreiben, dass der Erzähler die starken Bilder und Szenen einfach verwässert, sondern auch dem viel zu oberflächlichen und nie in die Tiefe gehenden Text, mit dem er arbeiten musste. Wer in der deutschen Fassung sprechen wird, ist weder auf Disney-Seiten zu erfahren, noch über den deutschen Pressetext, welcher sich damit entlarvt, dass er aktuell immer noch einen Starttermin im Juni 2014 angibt. Sehr ungewöhnlich für die eigentlich berüchtigte Gründlichkeit von Disney. Daran sollte man allerdings einen Kinobesuch nicht festmachen. BÄREN ist so oder so ein atemberaubendes Sehvergnügen, welches trotz Schwächen, immer noch genug Faszination ausstrahlt, dass der nächste Film von Alastair Fothergill schon jetzt ein Muss geworden ist.
Erzähler: John C. Reilly
Regie: Alastair Fothergill, Keith Scholey
realisiert mit 26 Kameraleuten
Bildschnitt: Andy Netley
Musik: George Fenton
USA / 2014
78 Minuten