47 RONIN – Bundesstart 30.01.2014
Bereits sechs Mal hat man sich der Geschichte um die 47 ehemaligen Samurai filmisch bedient. Ein japanisches Bildnis für Ehre, Treue und Tapferkeit, welches zum Kulturgut zählt. Das eine Hollywood-Version bisher ausgeblieben war, ist eigentlich erstaunlich. Doch nun darf man bewundern, wie man sich dem Stoff aus amerikanischer Sicht annähert, und das gab fast nur böses Blut. Eingebildet, nannten einige Kritiken den Film, weil er nicht auf seine japanischen Darsteller vertraute, sondern unbedingt Keanu Reeves in die Geschichte pressen musste. Ein Schlag ins Gesicht japanischer Mythologien, beschworen andere herauf, weil man mit einem amerikanischen Darsteller als Helden, die eigentlichen Ereignisse verdrehen würde, und ihnen so ihre Bedeutung berauben würde. Das schlimmste Vorurteil allerdings war, 47 RONIN als typischen Hollywood-Märchen zu verramschen. Man kann diesen Argumenten ohne weiteres Recht geben, und diese subjektiv untermauern. Aber damit entfernt man sich sehr weit vom Film selbst, und seinen Intentionen.
Im 18. Jahrhundert lässt der intrigante Fürst Kira bei einem Gastbesuch Fürst Asano ermorden, um so alleiniger Herrscher über das Land zu werden. Ohne einen Fürsten, verlieren auch dessen Samurai ihre Stellung bei Hofe, und sind fortan herrenlose Ronin. Doch die hinterlistige Tat wollen die treuen Samurai nicht ohne weiteres hinnehmen. Unter der Leitung des Anführers Ōishi schwören 47 der Ronin, das heimtückische Verbrechen zu sühnen. Ihnen zur Seite steht Kai, ein eigentlich unwürdiges Halbblut, der an Asanos Hof groß geworden ist, und sich in Asanos Tochter Mika verliebt hat. Doch Mika wurde nach der schrecklichen Tat, von Fürst Kira mit in dessen Festung entführt. Zusammen wollen die 48 Männer Kiras Hof einnehmen, und Rache für Asanos Tod nehmen. Doch nicht nur, dass die ehrwürdigen Kämpfer ein zahlenmäßig weit überlegener Gegner erwartet. An der Seite von Kira agiert die machtvolle Hexe Mizuki, der kaum bei zu kommen ist. Doch dabei besinnt sich Kai auf seine eigene Herkunft, und die Dämonen, von denen er großgezogen wurde, bevor sich Asano seiner angenommen hat.
47 RONIN möchte vieles sein, gibt aber von allem nur ein bisschen. Er lockt mit japanischer Tradition, verspricht atemberaubende Action, und ködert mit viel Mystizismus und Magie. Zudem könnte man glauben, einen Keanu Reeves wieder entdecken zu können, wie er einst durch SPEED und MATRIX zu Weltruhm erlangte. Aber für 175 Millionen Dollar hat Universal ein sehr halbseidenes Spektakel produziert, dass mehr sein könnte, wenn es nicht unablässig Kompromisse an sich selbst machen würde. John Mathiesons Bildsprache passt sich ständig dem geringsten Widerstand an, anstatt die Bilder als durchgängig eigenständige Ebene auszubauen. Ob grell bunte Farben, oder ausgeblichene Szenerien, es beugt sich der jeweiligen Stimmung, schafft aber keine stimmige Atmosphäre. Das in 3D gedreht wurde, macht das Erlebnis auch nicht spannender, wenngleich es einige hübsche Effekte gibt, die den Zuschauer zurück zucken lassen. Doch das schafft noch kein visuelles Ereignis. Von einem Film mit dieser Tradition behafteten Thematik, in diesem zeitlichen Umfeld, und mit den Zutaten von Zauber und Dämonen, da erhofft man sich etwas künstlerisch anspruchsvolleres. Etwas, das aus der Legende der 47 Ronin eben nicht einfach nur einen typischen Hollywood-Schinken macht.
Carl Rinsch lässt sich Zeit in seiner Inszenierung. Zuviel Zeit. Er treibt nicht die Handlung voran, sondern lediglich die Actionsequenzen. Das bringt viel Freiraum in Szenen, die viel dichter oder wenigsten mystischer inszeniert sein müssten. Und von der geheimnisvollen Fantasy-Welt, bleiben nur fließende Nebel und sich verwandelnde Schleier. Dazwischen lächelt sich Rinko Kikuchi als ausgedientes Klischee einer bösen Hexe süffisant durch ihre Szenen. Das ist zu wenig Originalität, und zu wenig Fantasy im Allgemeinen. Das Potential für viel mehr Möglichkeiten ist allerdings spürbar. Will sich der Film schon japanischer Geschichten und Mythen bedienen, macht er gleich zu Beginn einen haarsträubenden Fehler, in dem ein Samurai von einem unwürdigen Halbblut vor einem Monster gerettet wird, dieser die Ehre zum Tode des Monsters dennoch für sich einnimmt.
Es wäre schön gewesen Hiroyuki Sanadas Rolle als Ōishi weiter ausgebaut und tiefgründiger erleben zu dürfen. Doch wann immer er neben Keanu Reeves agiert, wird er leider in den Hintergrund inszeniert. Hiroyuki Sanada hat durchaus das Charisma, eine große Produktion tatsächlich auch einmal anzuführen. Hingegen bleibt Keanu Reeves darstellerisch weit zurück, der sich auf seiner Kram gebeutelten Seele ausruht, und das ungeliebte Halbblut für 110 Minuten mit stoischer Mine ausreizt. So quält sich 47 RONIN mit kleinen Widrigkeiten herum, die zu umgehen möglich gewesen wären. Doch im Gesamten macht es auch keinen wirklich schlechten Film. Man erkennt nur leider immer wieder allzu leicht, wo die Schwächen liegen. Kann man Kompromisse in Darstellung und Inszenierung eingehen, und Abstriche in Bezug auf das Genre hinnehmen, dann ist 47 RONIN angenehme Unterhaltung ohne Langeweile. Und das er die überhebliche Hollywood-Version einer traditionellen Geschichte ist, bleibt Humbug. Sechs Mal wurde die Erzählung um die ehrergebenen Ronin aus japanischer Sicht für das Kino erzählt. Will man da allen Ernstes jemanden etwas vorwerfen, wenn man diese allseits bekannte Geschichte für ein anderes Publikum, und für andere Länder neu interpretiert. In erster Linie ist 47 RONIN ein Fantasy-Märchen, das sich erst in zweiter Linie mit dem Kult der Ereignisse auseinandersetzt. Es ist wahrlich nicht der große Wurf, aber als gediegene Unterhaltung allemal legitim.
Darsteller: Keanu Reeves, Hiroyuki Sanada, Ko Shibasaki, Tadanobu Asano, Min Tanaka, Jin Akanishi, Rinko Kikuchi, Hiroshi Sogabe u.v.a.
Regie: Carl Rinsch
Drehbuch: Chris Morgan Hossein Amini
Kamera: John Mathieson
Bildschnitt: Stuart Baird
Musik: Ilan Ishkeri
Produktionsdesign: Jan Roelfs
USA / 2013
zirka 118 Minuten