EDITORIAL: Vom Spektakel, dem Ritual und einem kleinen Hobbit

THE HOBBIT: THE DESOLATION OF SMAUG – Bundesstart 12.12.13

BanditFantasy gehört nicht zu meinen bevorzugten Film-Genres. Selbst Klassiker wie DER DUNKLE KRISTALL oder die ersten beiden CONAN Filme standen in der Konsumpflicht nicht ganz vorne. Dafür liebe ich das Spektakel. Und Spektakel war, was Peter Jackson mit der HERR DER RINGE Trilogie versprach und lieferte. Filme, die nur fünf Jahren vor ihrem Erscheinen in dieser Umsetzung gar nicht möglich gewesen wären. Der HOBBIT als Verfilmung, war natürlich dem Erfolg der Vorgänger-Trilogie geschuldet. Und niemand wollte ernsthaft darauf verzichten. Ein Spektakel wurde versprochen, und Peter Jackson hat geliefert. Jetzt mit 3D, dem jungfräulichen Dolby Atmos und erstmals ein Film aufgenommen und vorgeführt mit 48 Bildern in der Sekunde. Da geriet die Handlung schnell in den Hintergrund. Allerdings nicht ohne ein unsicheres Gefühl hinterlassen zu haben. Denn hinter all dem technischen Spektakel, verbarg sich ein Film, aus dem man nicht wirklich schlau wurde. War er müder Abklatsch, oder geniale Weiterführung, in diesem Fall Vorweggreifen. Die Handlung und ihre Inszenierung von EINE UNERWARTETE REISE mussten alle Arten von Kritik ertragen, die in sachlicher Weise vorgetragen, in ihrer gesamten Bandbreite oft gerechtfertigt war.

Hobbit-2-a, Copyright Warner Bros.

Jetzt ist mit SMAUGS EINÖDE die Kinolandschaft wieder in heller Aufregung und meist ergebener Verzückung. Wollten die milderen Geister die subjektiv empfundenen Widrigkeiten von Teil Eins noch als missglückte Fingerübung durchgehen lassen, war jedem klar, dass mit SMAUGS EINÖDE der Standard für die Trilogie gesetzt werden würde. Und ich empfinde diesen Standard als missglückt. Ein kleiner Hobbit, dreizehn Zwerge und ein Zauberer mäandern durch Mittelerde, um das Zwergenreich Erebor aus den Fängen des Drachen Smaug zu befreien. Das taten die Helden zwei Stunden lang im ersten Teil, und nun tun sie es erneut zwei Stunden im aktuellen Film. Orks, unliebsame Elben und finstere Mächte. Die Gemeinschaft geht über eine schmale Brücke, und wenig später rennen sie in die andere Richtung vor irgend welchen Feinden wieder davon. Und immer beschleicht einen das ungewisse Gefühl, alles schon einmal gesehen zu haben. Ein Gefühl, das die Szenerien sich ständig wiederholen.

Die Sequenz mit den Riesenspinnen ist spektakulär und ekelerregend. Doch mutet sie nicht nur wie eine Übersteigerung von Frodos arachniden Kampfes im dritten HERR DER RINGE an, sondern weckt auch unangenehme Erinnerungen an die Spinnengrube in Peter Jacksons KING KONG. Eine Sequenz, die für den originalen KING KONG angedacht war, und von Peter Jackson aufgegriffen und umgesetzt wurde, mit bewusstem Ekelfaktor. Bekanntlich greifen ja auch die Autoren, zu denen natürlich auch Jackson gehört, für die Hobbit-Verfilmung auf Tolkiens Aufzeichnung zurück, wie dieser den Hobbit überarbeiten wollte, um ihn an den HERR DER RINGE anzupassen. Mit diesem Wissen werden die Strukturen der bisher zwei Filme ziemlich verwirrend. Was entspricht der Vorlage, was geht auf Jacksons Inszenierung zurück? Denn, war EINE UNERWARTETE REISE noch ein Spektakel mit Hindernissen, zeigt SMAUGS EINÖDE ganz klar, dass die Ausweitung von zwei auf drei Teile ein künstlerischer Fehler war. Diese Geschichte, obwohl deren Handlung vielen Zuschauern unbekannt sein dürfte, wäre mit zwei Teilen sehr gut erzählt worden. Doch die Helden kommen, fliehen, kämpfen, immerfort. Und man glaubt nicht, dass wirklich etwas voran geht.

Vielleicht ist es der Romanvorlagen geschuldet, aber auch die Architektur in Mittelerde ist verblüffend eintönig. Mag sein, dass das Produktionsdesign mit der Standardisierung von Mittelerde eine wiedererkennbare Konstante einfließen lassen wollte. Doch diese Konstanten sind in jedem Set-Design extrem hohe, dafür umso schmälere Brücken ohne Geländer, und Räumlichkeiten mit extrem vielen, aber zweckfreien Treppenabsätzen. Das lag vielleicht in besten Absichten, vermittelt aber eher das Gefühl von Einfallslosigkeit. Der große Aha-Effekt wird mir als Zuschauer verweigert. Ich bin als treuer Beobachter mit dieser Welt vertraut, doch erschließt sich mir diese Welt nicht immer wieder von neuem, sondern stagniert. Das Spektakel verkommt zu einem vertrauten Ritual. Es ist weniger eine Enttäuschung, als ein Pflichttermin, denn man kann sich Mittelerde nicht einfach entziehen. Jackson weiß was er tut, wenn er im richtigen Tempo die Handlung vorantreibt. Er weiß, wann seine Figuren ihre Momente brauchen. Und er weiß immer noch eines drauf zu setzen. Leider haben ihm dabei das Set-Design genauso wenig unterstützt, wie sein eigenes Gespür, die Struktur in seiner epischen Länge richtig einzuschätzen. Aber Fantasy war noch nie mein bevorzugtes Film-Genre, und liege deswegen vielleicht vollkommen daneben. Vielleicht liege ich aber mit meiner subjektiven Einschätzung auch vollkommen richtig. Am Ende wollte ich doch einfach nur das ganz große Spektakel, und vielleicht auch wieder diesen Gänsehaut erzeugenden Aha-Effekt.

Hobbit-2-b, Copyright Warner Bros.

Darsteller: Ian McKellen, Martin Freeman, Richard Armitage, Luke Evans, Evangeline Lilly, Lee Pace, Ken Stott, James Nesbitt, Orlando Bloom, Mikael Persbrandt, Benedict Cumberbatch (Stimme) u.a.
Regie: Peter Jackson
Drehbuch: Peter Jackson, Fran Walsh, Philippa Boyens, Guillermo del Toro
Kamera: Andrew Lesnie
Bildschnitt: Jabez Olssen
Musik: Howard Shore
Produktionsdesign: Dan Hennah
Neuseeland – USA / 2013
zirka 160 Minuten

Bildrechte: Warner Bros.
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