YI DAI ZONG SHI – Bundesstart 27.06.2013
Für das Vermächtnis von Yip Man ist es wenig tröstlich, dass man seine Persönlichkeit in den westlichen Ländern vor allem auf einen bekannten Namen reduzieren kann. Bruce Lee. Lee ist der bekannteste Schüler des Großmeisters Yip Man, der den Kung-Fu-Stil Wing Chun entwickelte. Aber für die geschichtliche Tradition des Kung Fu in China, und dem Kampfsport im Allgemeinen, bedeutet der Name Yip Man und der Stil Wing Chun weit mehr, als nur die Inspiration für einen Bruce Lee. Der Filmemacher Wong Kar-Wei war schon immer von Yip Man fasziniert, und erklärte dessen inspirierendes Leben zu seinem persönlichen Herzensprojekt. Das war allerdings schon vor zehn Jahren. Aber weil es ein Herzensprojekt war, verzichtete der renommierte Filmemacher auf eine überstürzte Umsetzung seines, ihn ans Herz gewachsenen Stoffes. Während dieser zehn Jahren realisierte Wong seine ausgezeichneten Langfilme 2046 und MY BLUEBERRY NIGHTS. Allerdings entstanden in genau dieser Zeit von anderen Produktionsfirmen vier Kinofilme und eine Fernsehserie über den Großmeister des Kung Fu. Diese Filme und die Serie inklusive waren allerdings keine unüberlegten Schnellschüsse, sondern von Kritik und Publikum wohlwollend aufgenommenen Projekte. Das Wong Kar-Wei seine eigenes Yip-Man-Projekt nicht sofort verwarf und dennoch realisierte, war entweder gesunde Selbsteinschätzung, oder kindliche Trotzreaktion.
GRANDMASTER zeigt Grundzüge einer Handlung, allerdings außerhalb üblicher Erzählstrukturen. Auch wenn der Film dem Lebensweg von Yip Man folgt, sind diese Eckdaten dem eigentlichen Gedanken des Projektes untergeordnet. In den frühen 1930er Jahren ist Yip Man der vielversprechendste Kandidat, die um ihre Kung-Fu-Stile konkurrierenden Norden und Süden Chinas zu vereinen. Doch es gibt immer Zweifler, Neider und vor allem Herausforderer. Aber dieser Mann mit den gefestigten Prinzipien, steht über all dem. In erster Linie ist es sein Glauben an sich selbst, an seine Erfahrung, und an die Kunst im Kampfsport, die ihn stets zum Gewinner machen. Selbst wenn er einen Kampf verlieren sollte. Wong Kar-wei hat sich nicht der Person Yip Man verschrieben, sondern seiner Ästhetik und der damit verbundenen Philosophie.
Der Film zeigt eine stete Aneinanderreihung von vergleichenden Kämpfen der gezeigten, verschiedenen Kampf-Stile. Leider gelingt es weder Kamera, noch Inszenierung, die Unterschiede zwischen diesen Kung-Fu-Varianten verständlich darzustellen. Nur versierte Augen und Insider vermögen die Nuancen zu erkennen, welche die für den Kämpfer markanten Prägungen ausmachen. Doch letztendlich wiegt das gar nicht so schwer, wie es sich anhören mag. Der Film legt immer noch eine optische Qualität vor, die GRANDMASTER zu einem einzigartigen Erlebnis macht. Mit grandioser Choreografie, und oftmals extrem entschleunigten Bildern, garantiert Wong Kar-wei ein visuelles Fest, das auch gut ohne die nur angedeutete Handlung auskommt. Dadurch, das er dabei in wenigen Szenen nicht einmal auf die in den Siebzigern durch Hongkong-Filme beliebt gewordenen Drahtseil-Flüge verzichtet, schlägt der Film eine geniale Brücke vom realen Vorbild, zu den davon inspirierten Populär-Medien.
Wong Kar-weis zehnter Langfilm ist spektakuläres Action-Kino gleichermaßen, wie tiefgründige Arthouse-Kunst. Auch wenn die Figuren und ihre Motivationen merklich zu kurz kommen. Dieses Fest für die Augen versteht es dennoch, den Zuschauer nicht zu langweilen. Ob nach vier Filmen und einer Serie, dieser Film tatsächlich noch von Nöten gewesen wäre, entscheidet Wong Kar-weis Werk von selbst. Sein Blick auf die innere Einstellung dieses wegweisenden Kung-Fu-Kämpfers, und der damit verbundenen Ästhetik des eigentlichen Kampfes selbst, rechtfertigt einen erweiterten Blick auf Ip Man ohne Weiteres. Er war nicht einfach nur Lehrer von Bruce Lee. Yip Man war bedeutend für das Wesen und die Geschichte des Kung Fu im Allgemeinen. Und das wird mit GRANDMASTER sehr gut dargestellt.
Darsteller: Tony Leung Chiu-wai, Zhang Ziyi, Zhang Jin, Song Hye-kyo, Chang Chen, Wang Qingxiang, Cung Le, Lo Hoi-pang, Liu Xun, Leung Siu Lung, Julian Cheung Chi-lam u.a.
Regie: Wong Kar-Wei
Drehbuch: Wong Kar Wei, Xu Haofeng, Zou Jinzhi
Kamera: Philippe Le Sourd
Bildschnitt: William Chang
Musik: Shigeru Umebayashi
Produktionsdesign: William Chang
China – USA / 2013
zirka 123 Minuten