A LATE QUARTET – Bundesstart 02.05.2013
Yaron Zilberman ist Neuling auf dem Spielfilmsektor. Und Yaron Zilberman gab sich auch alle Mühe, daraus etwas Besonderes zu machen. Doch Mühe und viel Ehrgeiz kann sich oftmals ins verkehrte wenden, wenn Filmemacher einer eigenen Vision nachjagen, und dieser obsessiv folgen, ohne auf konstruktive Einwände zu achten. Das passiert vor allem sehr gerne, und sehr schnell, bei den Abschlussfilmen von Filmhochschulabsolventen. Zilberman ist kein Filmhochschulabgänger, doch die ersten dreißig Minuten von SAITEN DES LEBENS nehmen sich so angestrengt bitterernst, dass man an einen dieser zähen Abschlussfilme denken muss. Doch nach und nach bekommt die Handlung eine gewinnende Tiefe, und daraus entspinnt sich ein intensives Drama über das Älterwerden, unerfüllte Sehnsüchte und die Schwierigkeiten mit Freundschaften. Aber es ist auch ein Drama mit diesem Hauch an verstohlenem Humor, der die bittere Schwermut nimmt, die oftmals mit dieser Art Filme einhergeht.
Vor 25 Jahren hat Peter Mitchell mit aufstrebenden Musikern ein Streichquartett gegründet. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, und ist bis heute ungebrochen. Doch der Zahn der Zeit nagt an Peter, und bevor er das Quartett krankheitsbedingt in Verlegenheit bringt, möchte er für sich und das Quartett einen musikalisch adäquaten Nachfolger am Cello finden. Doch dieser bevorstehende Wandel, löst eine Kettenreaktion von persönlichen Befindlichkeiten innerhalb der vermeintlich eingeschworenen Gruppe aus. Daniel, der erste Geiger, ist einsam und ein bisschen verbittert. Robert als zweiter Geiger, fühlt sich im Quartett seit Jahren unterfordert. Und Juliette an der dritten Geige, steht emotional zwischen ihrem Ehemann Robert und Gründer Peter. Und dann ist da noch Robert und Juliettes Tochter Alexandra, die die Integrität des Quartetts in Frage stellt.
Nachdem SAITEN DES LEBENS Fahrt aufgenommen hat, zeigt sich auch die Subtilität in der Geschichte. Zilberman und Grossman haben ganz geschickt, und dabei sehr unaufdringlich, die Geschehnisse innerhalb der Gruppe, der Leidenschaft für Musik und deren Dynamik gegenübergestellt. Kernstück des Films ist Beethovens Streichquartett Nummer 14, Opus 131, ein Stück das ohne Pause gespielt wird. Die Leidenschaft für Musik, stellt Zilberman mit den Leidenschaften des Lebens gleich. Und das Leben, das funktioniert wie ein perfekt komponiertes Stück Musik. Man kann sich sehr schnell verspielen, wenn man es nicht verinnerlicht. Das sich Handlung und die Essenz von Musik so geschickt ineinander verweben, ist kein offensichtlicher, aufdringlicher Kunstgriff, sondern in ganz leisen Tönen gespielt. Und ausgerechnet Opus 131 eröffnet noch einmal eine ganz besondere Ebene in der Erzählung.
Nach vielen Krawallfilmen und Psychorollen, findet man Christopher Walken in einer sehr überraschenden, ganz subtilen Rolle. Er ist es auch, der einen den zähen Einstieg in den Film erleichtert. Keine Frage, dass Hoffman und Keener ebenso in ihren Figuren aufgehen und überzeugen. Doch als wirklich emotional bindende Figur entpuppt sich Daniel, die der Ukrainer Mark Ivanir mit überraschendem Understatement verkörpert. Der sonst als Stereotyp besetzte Ivanir, behauptet sich zwischen den Größen des Independent-Films mit einnehmender Gelassenheit.
Yaron Zilberman hätte seinen Anfang noch einmal kräftig überdenken müssen, um SAITEN DES LEBENS zu einem wirklich runden, vollkommen stimmigen Film zu machen. Hier hat er die Chance verpasst, sein Zielpublikum im Sturm mitzureißen. Aber dafür entwickelt sich das Drama später zu einem spannenden Wechselbad der Gefühle, und einem Panoptikum menschlicher Schwächen, aus denen die Figuren erstärkt hervorgehen. Das Zilberman das alles ohne die möglichen, emotionalen Überspitzungen inszeniert, sondern bewusst den Zuschauer selbst Sympathien aufbauen lässt, macht den Reiz und am Ende sogar die Stärke von SAITEN DES LEBENS aus. Und so ganz nebenbei, da bekommt man noch ein bisschen etwas über Musik erzählt. Nebenbei, und ohne belehrende Ausführungen. Das macht Freude, und gibt dem Film zusätzlich eine komplexere Struktur. Am Ende wird man froh sein, sich auf diese menschlichen Scheidewege eingelassen zu haben.
Darsteller: Christopher Walken, Philip Seymour Hoffman, Mark Ivanir, Catherine Keener, Imogen Poots, Wallace Shawn u.a.
Regie: Yaron Zilberman
Drehbuch: Yaron Zilberman, Seth Grossman
Kamera: Frederick Elmes
Bildschnitt: Yuval Shar
Musik: Angelo Badalamenti
Produktionsdesign: John Kasarda
USA / 2012
zirka 105 Minuten