THE FAMILY

MALAVITA – THE FAMILY – Bundesstart 21.11.2013

Malavita-1, Copyright Universum Film / Relativity MediaLuc Besson, die ehemals große Hoffnung des europäischen Films, hat sich im Regiestuhl etwas rar gemacht. Mit dem RAUSCH DER TIEFE bis hin zu LEON, DER PROFI hat er unvermittelt wieder Bedeutung ins Kino jenseits der amerikanischen Mainstream gebracht. Erste Abnutzungserscheinungen zeigten sich mit einem überbordeten FÜNFTEN ELEMENT, der gut angenommen wurde und zu einem Genre-Hit mutierte. Doch damit war ein produktiver und künstlerischer Zenit überschritten, der sich erst mit einer unerträglichen JOHANNA VON ORLEANS offenbarte. Auf was sich Besson seitdem zu beschränken schien, waren Drehbücher für überdrehte, aber kaum anspruchsvolle Actionfilme. THE LADY, über Bürgerrechtsaktivistin Aung San Suu Kyi, brachte wieder etwas Reputation in seine Regiekünste. Und jetzt hat er, wieder nach einem eigenen Drehbuch, MALAVITA inszeniert. Ein kurioser Titel, der von Land zu Land nach Lust und Laune benutzt, oder ignoriert wird. Mit dem eigentlichen Untertitel THE FAMILY wird es einfacher, aber letztendlich trägt auch diese Produktion nicht dazu bei, die künstlerische Größe Bessons wieder zu erlangen.

Die Blake Familie hieß vor ihrem Zeugenschutzprogramm Manzoni, und ist aus dem heimischen Brooklyn nach Frankreich umgesiedelt worden. Einer der besseren Witze kommt demnach auch aus dem Mund der von Michelle Pfeiffer verkörperten Mutter Manzoni, die ihren Sohn ermahnt, „hör‘ endlich auf fucking zu sagen, wir sind nicht mehr in Brooklyn“. Eine geraume Zeit denkt der Zuschauer, dass die Manzonis frisch von Übersee eingeflogen wurde. Ein formaler Irrtum, der für einige Verwirrung sorgt, weil sich dadurch gewisse Umstände nicht weiter erklären lassen. Wie zum Beispiel, was es mit einer bestimmten Leiche auf sich hat, oder wie die amerikanischen Kinder in einer französischen Schule zurecht kommen. Erst später erfährt das Publikum, dass die ehemalige Mafia-Familie schön Öfters innerhalb Frankreichs umgesiedelt wurde.

Was wirklich sehr gut funktioniert, ist die Interaktionen der Darsteller. Pfeiffer und De Niro als Eltern, und Agron und D’Leon als sich gegenseitig schätzende und schützende Geschwister, da stimmt Harmonie und Chemie. Und es macht wirklich Spaß, diesen Anti-Helden zuzusehen. Alte Gewohnheiten sterben nur schwer. Mutter sprengt den Lebensmittelladen eines überheblichen Händlers, die Tochter vermöbelt aufs brutalste die Schul-Matadore, der Sohn übt sich in Erpressung und Manipulation, der Vater hingegen möchte einfach nur klares Wasser aus den Leitungen seines neuen Heimes, und da muss er sich durch einige Ebenen von städtischen Hierarchien arbeiten. Das macht natürlich alles viel Spaß. Da werden Träume und Wunschvorstellungen demonstriert, aber auch umgesetzt, die jedem Zuschauer schon einmal zu Gedanken standen. Ähnlich Michael Douglas‘ herrlichem Amoklauf in der ersten Hälfte von FALLING DOWN.

Doch dem wunderbaren Ensemble, steht eine unstete Handlung gegenüber, in der Autor und Regisseur Besson einfach zu viel wollte. Mafia-Film, Action, Drama, Komödie, Satire, eine Menge schwarze Komödie, und selbstreferierendes Filmzitat. Luc Besson schuf mit Koautor Michael Caleo eine Geschichte die alles auf einmal wollte, und nichts von all dem zufriedenstellend umsetzen konnten. Und genau daran scheitert THE FAMILY, oder MALAVITA, wie man eben will. Das dieses, Anfangs bestimmt ambitioniert wirkende Projekt, scheitert, ist den Absichten der Macher zu unterstellen, die alles wollten, ohne sich der Auswirkungen bewusst zu sein. Eine gute Komödie muss lange keine gelungen Satire sein, und ein guter Action-Plot garantiert auch kein überzeugendes Drama. Und eine schwatze Komödie, hat ihre ganz speziellen Anforderungen. Aber Luc Besson wollte alles auf einmal. Und es hat gerade deswegen hat funktioniert. Spätestens bei der der Vorführung von GOODFELLAS bei einem Diskussionsabend im lokalen Debattierclub, treibt der Film seine wohlwollend gemeinte Absichten auf die Spitze. Der Charakter von Robert De Niro, sieht sich einen realen Film des realen Robert De Niro an, und das ist einfach zu viel des Guten, und geht vollkommen vorbei an dem, was den Kern des Films ausmacht.

Luc Besson konnte sich nicht entscheiden, ob er Komödie, Satire, oder Actionfilm machen wollte, und glaubte mit einer gesunden Mischung aus Allem seiner Absicht Rechnung zu tragen. Das tat Luc Besson nicht. Die ehemalige Hoffnung des europäischen Films, wollte zu viel und erreichte damit nicht die Hälfte davon. Allein die Darsteller hätten retten können, was dem Film an inszenatorischer Leistung fehlen könnte. Aber der Regisseur glaubte sich über die Regularien des Unterhaltungsfilms hinwegsetzen zu können. Und dann entlarvt ihn eben das Publikum. Man darf als Filmemacher niemals glauben, schlauer als sein Publikum zu sein. So wird THE FAMILY zu einem Spaß, der nicht wirklich überzeugt, weil seine Absichten einfach zu offensichtlich waren. Die Prämisse kann  nicht halten, was das Ansinnen von Regisseur und Autor verspricht. THE FAMILY ist von allem etwas, und bei nichts wirklich überzeugend. Und es liegt nicht an dem fantastischem Ensemble, und auch nicht an den tadellosen technischen Aspekten. Es liegt an den künstlerischen Ansprüchen, die so hanebüchen durcheinander gewürfelt wurden, dass MALAVITA keinen unterhaltsamen Konsens mehr zu bilden versteht.

Malavita-2, Copyright Universum Film / Relativity Media

Darsteller: Robert De Niro, Michelle Pfeiffer, Dianna Agron, John D’Leon, Tommy Lee Jones, Jimmy Palumbo, Domenick Lombardozzi u.v.a.
Regie: Luc Besson
Drehbuch: Luc Besson, Michael Caleo
Kamera: Thierry Arbogast
Bildschnitt: Julien Rey
Musik: Evgueni Galperine, Sacha Galperine
Produktionsdesign: Hugues Tissander
Frankreich – USA / 2013
zirka 111 Minuten

Bildrechte: Universum Film / Relativity Media
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Kino gesehen abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar