JACK REACHER – Bundesstart 03.01.2013
Man kann ja von seiner mentalen Gesinnung halten, was man möchte. Tatsächlich aber ist Tom Cruise einer der ganz wenigen, die nach wie vor Rollen wie die des harten Jack Reacher glaubwürdig verkörpern können. Nach wie vor hat der mittlerweile 50 Jahre alte Cruise seinen jugendlichen Charme behalten, ohne eine gewisse Altersweisheit nicht vermissen zu lassen. Jack Reacher kann mitfühlend sein, auch charmant, durchaus selbstkritisch, äußerst brutal, oft rücksichtslos, dafür immer ehrlich. Jack Reacher steht über dem Gesetz, nicht weil es ihm gewährt wurde, sondern weil er sich das Recht herausgenommen hat. Als ein Scharfschütze wahllos fünf Menschen erschießt, taucht Jack Reacher aus seiner selbstgewählten Versenkung auf. Denn der Kriegsveteran Barr hat schon einmal ohne Befehl Menschen erschossen, musste allerdings keine Konsequenzen fürchten.
Christopher McQuarrie ist ein Film gelungen, der nicht nur als perfektes Tom-Cruise-Vehikel funktioniert, sondern zudem mit einer sehr spannenden Geschichte überzeugt. Das Schöne daran ist seine Umsetzung, denn McQuarrie lässt den Zuschauer auf einer Ebene mit dem rüde ermittelnden Reacher bleiben. Seine Überlegungen, seine Erfahrungen, seine Erkenntnisse – die Figur Jack Reacher ist dem Zuschauer nicht voraus, nicht überlegen, sondern durch den Film hindurch bleibt es ein ebenbürtiges Rätselraten. Bei den körperlichen Fähigkeiten allerdings überrascht der ehemalige Elite-Soldat durchaus. Und auch hier hat McQuarrie ein Gespür für sein Publikum. Die Action-Sequenzen sind hart, oft brutal und dabei sehr intensiv. Obwohl dem Genre angemessen sehr überzogen, wirken diese Szenen allerdings wesentlich realistischer statt einfach nur übersteigert. Dadurch, dass McQuarrie den Zuschauer sowohl mit einbindet als auch ihn gerade in der Umsetzung der Action ernst nimmt, gelingt mit JACK REACHER ein durchweg spannender Thriller mit exzellenten Kampfeinlagen, bei denen selbst der Humor nicht zu kurz kommt.
Die Chemie zwischen Cruise und Rosamunde Pike könnte eine Spur stärker sein, letztendlich legt man aber beim Spannungskino mehr Wert auf Dinge, die der Geschichte und nicht den Figuren zuträglich sind. Hingegen ist das Spiel zwischen dem Hauptdarsteller und Robert Duvall ein zarter Hinweis darauf, wo wirklich das Handwerk des Schauspiels liegt. Überraschend ist die Besetzung Werner Herzogs als undurchsichtiger Drahtzieher. Seine natürliche, verstörend wirkende Stimme, die es sogar in die deutsche Synchronisation schaffte, gibt dem Film noch einmal eine ganz besondere Note. Caleb Deschanels Kamera ist ein weiterer Aspekt, der REACHER auch optisch nicht zur Serienware verkommen lässt. Mit dem sehr unaufgeregten Schnitt von Kevin Stitt darf der Zuschauer auch wirklich etwas von der Action nicht nur sehen, sondern auch erleben.
Nur als kleines Beispiel: Bei Jack Reachers erstem Auftritt mit körperlichen Einsatz glaubt der Zuschauer, in eine dem Standard entsprechenden Szene geraten zu sein, die nur dazu dient, den Helden und seine Fähigkeiten zu demonstrieren. Aber weit gefehlt. Was als allseits beliebtes aber auch bekanntes Klischee beginnt, entpuppt sich als sehr intelligente Falle für den Zuschauer. Denn gerade hinter dieser Szene verbirgt sich mehr für die Handlung, als man annehmen möchte. Das sind diese vielen kleinen Momente, die im Ganzen einen großartigen Film ausmachen. Und mit dieser ersten von 15 bereits geschriebenen „JACK REACHER“-Geschichten von Lee Child hat Tom Cruise reichlich Stoff, sich weiterhin im Actionfilm zu halten. Er sollte dabei allerdings auch auf Christopher McQuarries Mitwirkung achten. Tom Cruise ist nicht mehr der Jüngste, sein Potenzial allerdings noch hoch einzustufen. Das alles muss man eben abwägen, wenn man zwischen grandiosem Unterhaltungskino und der mentalen und religiösen Gesinnung des Hollywood-Stars zu entscheiden hat. Einfach ist das nicht.
Darsteller: Tom Cruise, Rosamunde Pike, Richard Jenkins, David Oyelowo, Werner Herzog, Jai Courtney, Robert Duvall u.a.
Regie & Drehbuch: Christopher McQuarrie
Kamera: Caleb Deschanel
Bildschnitt: Kevin Stitt
Musik: Joe Kraemer
Produktionsdesign: Jim Bissell
USA / 2012
zirka 130 Minuten