THE HANGOVER PART 3 – Bundesstart 30.05.2013
Unvermutet sprang vor vier Jahren ein nackter Koreaner, um sich schlagend, aus einem Kofferraum auf die Schulter des Hauptdarstellers. Diese Szene festigte im Kino, was mittlerweile begrifflich als what-the-fuck-moment etabliert ist. Zwei Filme und nur vier Jahre später, hat sich beim Anblick des Koreaners Ken Jeong ein ganz anderer WTF-Moment eingestellt. Weniger ist manchmal wirklich mehr. Und bei mehr, wünscht man sich manchmal wirklich weniger. Es sind die ganz offensichtlichen Ermüdungserscheinungen. Das Wolfsrudel jagt nur noch, ohne Beute zu machen. Als vor vier Jahren ein nackter Koreaner aus einem Kofferraum sprang, war das noch derb, aber witzig, unverschämt, aber mit echten Brüllern, ordinär, und so sehenswert. Die männliche Erwachsenenwelt hatte ihre Fassung von AMERICAN PIE bekommen. Da war jede Geschmacklosigkeit mit Liebe durchdacht, und jede aberwitzige Albernheit mit Herzblut inszeniert. Das war sicherlich nicht jedermanns Geschmack, aber es war originell. Vier mehr oder weniger gute Freunde, die nach ihrem geistigen Black-Out, die Ereignisse der vergangenen Nacht rekapitulieren und wie ein Puzzle zusammen setzen müssen, um ihren verlorenen Freund wieder zu finden.
Das zwei Jahre später die Mannschaft für die Fortsetzung die Abläufe des Originals fast eins zu eins übernahm, endtäuschte Fans und Kritiker nur geringfügig. Schließlich hatte man genau aus diesem Grund HANGOVER so lieb gewonnen, und die Macher hatten nicht vergessen, die Schrauben noch einmal etwas mehr anzuziehen. Es war also Okay. Vielleicht, und dies wird man nie mehr feststellen können, hätte die Rezeptur auch zu einem dritten Mal einen überaus delikaten Kuchen abgegeben. Aber nur vielleicht. Denn stattdessen, hat sich das Kreativ-Team der zwei Vorgänger, für eine neue Richtung entschieden. Anstelle des Puzzles, welches nach einem geistigen Black-Outs zu lösen wäre, wird dem wirren Wolfsrudel eine vollkommen neue Aufgabe zuteil. Sie werden in eine Geschichte dieser kunstvollen Räubereien involviert, wie sie im Film mit RIFIFI ihren Anfang nahmen und nicht zuletzt auch OCEANS 11 inspirierte. Wenn man allerdings keinen ausgeklügelten Plan wie in RIFIFI, und erst recht nicht einen OCEANS-Regisseur hat, dann wird es eng. Man könnte sich immer noch über die Schiene von brachialem Humor und gewitzten Schenkelklopfern retten. Könnte man.
Todd Phillips und Craig Mazin, als Co-Autor des Regisseurs, haben mit ihrem Buch, und Phillips mit seiner Inszenierung, nicht den richtigen Draht zum ursprünglichen Konzept der Reihe gefunden. Vieles wirkt an den Haaren herbeigezogen, so wie der von Galifianakis gespielte Alan mit seiner frisch erworbenen Giraffe. Oder die erzwungene Rückkehr nach Las Vegas. Oder die Miteinbeziehung von Heather Grahams Figur Jade, die eigentlich eine tiefere Beziehung zu Ed Helms Stu haben müsste, aber nur als Wiedererkennungseffekt ohne tiefere Erklärung verschwendet wird. „It all ends here“ tönt die Werbetrommel, und versteht sich als Zitat zum Abschluss der Harry-Potter-Filmreihe. Doch in Wirklichkeit ist es mehr als ein Zitat. In einer Szene von HANGOVER III ist im Hintergrund eine Werbetafel mit dem Konterfei des Priesters aus Teil Eins zu sehen. Die Macher bauen also voll auf den nostalgischen Faktor, sie haben dabei allerdings vergessen, das Originalität dennoch eine Rolle spielt. Der Film beginnt mit zwei prägnanten Zitaten, die auf SHAWSHANK REDEMPTION – DIE VERURTEILTEN und STAR TREK II: KHAN bauen. Und so geht es in einem fort. Anstelle von eigenen Einfällen, werden fremde Quellen heraufqequält. Wenn Alans Vater (Achtung, jetzt kommt ein gemeiner Spoiler: Bitte, nicht weiterlesen) Wenn Alans Vater wegen Alans Verhalten einem Herzinfarkt erliegt, dann hört Alan im selben Augenblick auf dem iPod Billy Joels „My Life“. Hört man auf den Text und sieht die Bilder, dann wirkt das mehr als erzwungen. Das selbe gilt für die Untermalung mit Henry Nilssons „Everybodys talking“.
HANGOVER III ist missglückter Versuch, die Reihe erfolgreich fortzusetzen. Seine Bemühungen, seine Absichten, sein Bestimmung ist allzeit spürbar. Aber Regisseur Todd Phillips, und dieser mit Co-Autor Craig Mazin, habe es nicht geschafft, den durchaus fragwürdigen Geist und debilen Humor der zwei Originale, mit dem Geist der vorangegangenen Fortsetzungen zu verschmelzen. Dies ist ein Film, der als Synonym dafür gilt, wenn Hollywood endlich Abstand davon nehmen sollte, sich selbst endlos zu kopieren. Es gibt die Lacher, die Anspielungen sind vorhanden, das Gefühl möchte sich einstellen. Und doch bekommt man nicht, was einen Teil Eins und Zwei versprochen haben. Das dann ausgerechnet die rückführenden Sequenzen innerhalb des Abspanns, die beste Umsetzung des eigentlichen Wolfrudel-Gefühls aufzeigen, verstärkt den Mangel von kreativer Eigenständigkeit.
So wird es auch hier keinen nackten Koreaner geben, der unvermittelt aus einem Kofferraum herausspringen wird. Die WTF-Momente sind zu einem Nichts verblasst. HANGOVER ist endgültig im uninspirierten Mainstream angekommen. Wie sollte da eine weitere Fortsetzung aussehen? Ohne Rücksicht. Das machte den ersten Teil für ein nicht irrelevantes Publikum so interessant: Ohne Rücksicht. Etwas, das sich vom Geldfluss getriebene Fortsetzungen niemals leisten können.
Darsteller: Bradley Cooper, Ed Helms, Zach Galifianakis, Justin Bartha, Ken Jeong, John Goodman, Melissa McCarthy, Jeffrey Tambor, Heather Graham u.a.
Regie: Todd Phillips
Drehbuch: Todd Phillips, Craig Mazin
Kamera: Lawrence Sher
Bildschnitt: Jeff Groth, Debra Neil-Fisher
Musik Christophe Beck
Produktionsdesign: Maher Ahmad
USA / 2013
zirka 100 Minuten