GINGER & ROSA – Bundesstart 11.04.2012
Die einzigen Nachrichten, welche man während des Filmes immer wieder hört, sind die dramatischen Zuspitzungen im Atomkonflikt Amerikas und der Sowjetunion. Im Schatten der Bedrohung werden Ginger und Rosa erwachsen. England im Jahr 1962, eine heile Welt gibt es nicht. Im letzten Kriegsjahr 1945, im selben Zimmer geboren, begleitet Ginger und Rosa eine Freundschaft von Anbeginn. Doch für die Jugendlichen bedeutet nach dem Krieg, vor dem Krieg. Gingers Vater war Kriegsdienstverweigerer, und hat das Kind entsprechend erzogen. Rosas Vater hingegen, ist nach dem Krieg einfach auf und davon. In diesem entscheidenden Jahr 1962, kristallisiert sich heraus, wie sich die Mädchen, die bis dahin alles gemeinsam unternahmen und die selben Interessen pflegten, ihre eigenen Wege finden. Wobei Gingers Vater als selbstgefälliger Freigeist den größten Einfluss auf die Freundschaft der beiden nimmt.
Autorin und Regisseurin Sally Potter ist eine der wenigen Frauen, die sich im Geschäft durchgesetzt haben, und trotz ihrer kontroversen und teilweise schwierigen Filme größere Aufmerksamkeit bekommt. Das ist mit GINGER & ROSA nicht anders, der auf den gängigsten Filmfestivals gefeiert wurde. Der Erfolg erklärt sich leicht, denn Potter zeigt echte Menschen, mit echten Reaktionen. Ihre Geschichte allerdings, die ist ein raffiniertes Geflecht von Wahrscheinlichkeiten und Kuriosum. So hat sie sich ihre zugestandene Aufmerksamkeit, wie mit ihren Filmen zuvor, redlich verdient. Es hat den Anschein, dass die Darsteller kaum eine Führung benötigt hätten. Ihre Natürlichkeit vermitteln all die Verwirrung, aber auch den Schmerz den das erwachsen werden mit sich bringt. Neben der umwerfenden Alice Englert, beweist sich Elle Fanning als der Star von Morgen. Fanning war erst vierzehn, als sie die Rolle der siebzehnjährigen Ginger spielte, und das Ergebnis ist nicht einfach nur überzeugend, sondern eine Figur, mit der man fühlt. Das schmälert nicht die Leistungen des erwachsenen Ensembles, das mit Alessandro Nivola als egomanisch getriebener Vater, den sozialen Einfluss auf die jungen Mädchen anführt.
Alle Erwachsenen sind Opportunisten, allerdings in ihrer eigenen Annahme, für das Wohl der Menschheit. Jeder glaubt, sich der Welt bewusst zu sein, die Politik zu verstehen, das Leben zu kennen, und das Recht auf seiner Seite zu haben. Nur Gingers Mutter, leider eine unterforderte Christina Hendricks, will ihrer Tochter eine eigene Führung im Leben zugestehen, ohne beeinflussen zu wollen. Ausgerechnet sie erfährt die rabiate Ablehnung eines typisch orientierungslosen Teenagers. Dabei bleibt der Film, obwohl nachvollziehbar und gleichzeitig spannend, aber immer etwas aus dem Fokus. Sally Potter kann in der Geschichte keine Motivation vermitteln. Die Angst vor der Bombe wirkt eher als Metapher, als reale Bedrohung. Und die erste Liebesbeziehung der experimentierfreudigen Rosa erfährt keine wirkliche Auflösung. So will GINGER & ROSA in seinem eigentlich schlichten Anliegen, doch vielschichtiger erscheinen, zeigt dem Zuschauer dabei allerdings zu viele Ebenen auf. Dafür bleibt ein ehrlicher, einnehmender Blick auf zwei hilflose Seele, die daran straucheln, weil ihre Seelenverwandtschaft doch nicht von Dauer war.
Darsteller: Elle Fanning, Alice Englert, Alessandro Nivola, Timothy Spall, Christina Hendricks, Annette Bening, Oliver Platt, Jodhi May u.a.
Drehbuch & Regie: Sally Potter
Kamera: Robbie Ryan
Bildschnitt: Anders Refn
Produktionsdesign: Carlos Conti
Großbritannien-Dänemark-Kanada-Kroatien / 2012
zirka 90 Minuten