Es ist vollbracht. Die Legende des Batman wurde zu einer Legende des Mainstream-Kinos. Christopher Nolan hat sich mit der tatkräftigen Unterstützung seines Bruders, des Drehbuchautoren Jonathan, einen unbestreitbaren Platz in den Annalen gesichert. Dieser Platz findet sich zwischen Francis Ford Coppolas GODFATHER Trilogie und der ersten STAR WARS Reihe. Die Zeit wird zeigen, ob Nolan mit BATMAN nicht sogar einen Rang höher einzustufen ist. Denn bei den beiden genannten Trilogien ist ein künstlerischer Abfall im jeweils letzten Teil zu bemängeln. Bei dem 2005 gestarteten Reboot des DC-Comic-Helden hingegen haben die kreativen Köpfe alles richtig gemacht. Wirklich alles, bis zum konsequenten Ende. Dass der übermächtige Schatten von Heath Ledger das Potenzial von Tom Hardys Bane verdunkeln würde, war ein zu erwartender aber nicht enttäuschender Einbruch. THE DARK KNIGHT RISES ist jedoch in Form und Konsequenz viel zu sehr seiner unbeirrten Dramaturgie unterworfen, als dass er sich nicht leicht darüber hinwegsetzen könnte. Nolan hat seine Reise beendet, und das begleitende Publikum könnte an keinem phantastischeren Ziel angekommen sein. Wer BATMAN BEGINS dankend angenommen hat, wird den Aufstieg des dunklen Ritters bejubeln.
Acht Jahre sind vergangen, seit Harvey Dent und BATMAN ihre Rollenklischees zum Wohle Gothams getauscht haben. Der seinerzeit von Commissioner Gordon geduldete Fledermausmann gilt seitdem als geächtet und wird nach wie vor wegen Mordes an Dent gesucht. Aber Bruce Wayne hat sein Alter Ego Batman längst abgelegt, als Einsiedler fristet er auf Wayne Manor ein freudloses Dasein.
Doch da ist Bane, ein scheinbar letztes Überbleibsel der Liga der Schatten, dessen Anführer Ra’s Al Ghul von Batman am Anfang der Trilogie getötet wurde. Bane will Gotham von der Außenwelt abschneiden und es durch seine Bewohner selbst von innen heraus zerstören. Wohl oder übel muss Bruce Wayne nochmal in die Bat-Hölle hinabsteigen und seinen Anzug entstauben. Mit fatalen Folgen.
Es ist ein radikaler Actionfilm, aber zugleich auch packendes Drama um Schuld und Sühne, Vergebung und Hochmut. Gerade in den letzten beiden Teilen, und bei RISES am deutlichsten, kommt der tiefere Charakter von Comicheften und ihren gebeutelten Figuren stärker zum Tragen als in allen bisherigen Superhelden-Adaptionen. Die Action mag im Vordergrund stehen, aber sie folgt einer sich selbst geißelnden Dynamik aus den Charaktereigenschaften der Helden und Bösewichter. Niemand mag ohne Schuld sein, aber sie sind sich alle ihrer Schuld bewusst. Traumata rechtfertigen ihr Tun, dunkle Geister treiben ihre Seelen. Jim McBride nahm für das Mainstream-Kino einen Superhelden das erste Mal wirklich ernst, als er in der Neuverfilmung von BREATHLESS die Gedankenwelt des Antihelden mit dem Schicksal des Silver-Surfers gleichsetzte. Comichefte und die Geschichten um ihre vielschichtigen Gestalten werden nur von unbedarften Betrachtern der Schundliteratur zugewiesen, obwohl so viel mehr dahinter steht. Andere Filmemacher haben das längst vor Christopher Nolan erkannt. Aber Christopher Nolan zeigt mit seiner nun abgeschlossenen Batman-Trilogie, dass er der bessere Autor und Regisseur für diese Materie ist.
RISES hat Längen, das muss man einfach so akzeptieren. Das kommt aber allerdings auch davon, dass Nolan über die letzten sechs Jahre gelernt hat, was er seinen Charakteren, aber erst recht einem aufmerksamen Publikum schuldig ist. Keine Schnellschüsse, keine überhasteten Erklärungen. Nolan nimmt sich Zeit, man soll verstehen, man soll mit eintauchen. Das ist nicht Joel Schuhmachers BATMAN, das hier sind echte, greifbare Figuren. Mögen sie auch Bane oder Wayne heißen, sie sind trotz all ihrer phantastischen Hintergründe einfach real. Radikaler als in den zwei Teilen zuvor schaffen es die Brüder Nolan, diesen phantastischen Hintergrund im abschließenden Teil kaum existent erscheinen zu lassen. Übernatürliches war von Anfang an ausgeschlossen. Übermenschliches auf ein Minimum reduziert. Wie die großen Tragödien dieser Welt funktioniert RISES über die Tragödie seiner Figuren.
Die Kunst eines großartigen Regisseurs ist es eben, das Drama nicht über die erwarteten Show-Effekte zu heben, um gerade dadurch das Dilemma des menschlichen Unvermögens seiner Charaktere zu erhöhen. THE DARK KNIGHT RISES ist erstklassiges Action-Kino, das mit atemberaubenden Sequenzen und unvergesslichen Effekten überrascht. Wer Nolan kennt, weiß, dass dieser zu inszenieren versteht. Und er versteht seine Darsteller zu inszenieren, aber in erster Linie eben auch zu inspirieren. Und diese dargebotene Menschlichkeit wirft er in eine Umgebung von phantastischen Proportionen, die ebenso realistisch erscheint, weil Gewichtung und Aufbau ihres Umfelds den charakterlichen Eigenschaften ihrer Figuren nicht unterstellt wird.
Aus einer fiktiven Stadt in Teil eins wurde im zweiten Teil das unverwechselbare Aussehen Chicagos, um nun endgültig im dritten Teil als offensichtliches Pendant von New York zu fungieren. New York City war stets das offensichtliche Abbild von Bob Kanes Welt des BATMAN. Und doch geht Nolans BATMAN-Trilogie weiter als ebenbürtige Film-Trilogien bereit waren zu gehen. Bei BATMAN BEGINS war Wayne-Manor eine von Licht durchflutete Residenz, in RISES sind die Zimmer und Gänge fahle, in Schatten gehüllte Räumlichkeiten. Auch thematisch orientiert sich jeder Film auf ein Neues. Unterjochte in Teil zwei das Böse noch die Menschen in Gotham mit purem Terror, erschleicht sich der Terror nun mit gnadenloser List eine trügerische Freiheit. Bane gibt den Menschen die Stadt zurück und ruft Selbstbestimmung aus. Dabei gewinnt das Konzept fast etwas Biblisches. Denn als Gott dem Menschen Selbstbestimmung gab, wanden sich infolgedessen auch viele von ihm ab. Recht und Ordnung in Gotham mit der Gottes-Geschichte zu vergleichen, mag anmaßend erscheinen, das Schicksal der Bürger von Gotham verhält sich allerdings so. Der falsche Schein von Anarchie, den Bane und seine Mannen der Stadt vorgaukeln, stürzt diese in ein weit selbstzerstörerisches Chaos, als es Jokers unberechenbarer Terror jemals vollbracht hätte.
DARK KNIGHT RISES ist grandioses Einzelwerk und perfekter Zirkelschluss des großen Ganzen. Natürlich könnte man hier und da nach Logik fragen, einzelne Längen bemängeln, persönliche Befindlichkeiten vernachlässigt sehen. Hans Zimmers Musik gelingt nichts Neues, und Wally Pfisters IMAX-Photographie hätte etwas knackiger sein können. Letztendlich sind dies aber Kritikpunkte, die nur davor bewahren sollen, vollkommen den Boden unter den Füßen zu verlieren. Denn man ist in Zukunft versucht, Christopher Nolan zwischen Coppola und Star-Wars-Trilogie einzuordnen, und da darf man es ihm selbst als objektiver Kritiker nicht so leicht machen. Dabei ist es Nolan selbst, der es so leicht ausschauen lässt, mit einem perfekt konstruierten Drehbuch und einer auf den Punkt gebrachten Inszenierung.
Darsteller: Christian Bale, Anne Hathaway, Tom Hardy, Marion Cotillard, Joseph Gordon-Levitt, Michael Caine, Gary Oldman, Morgan Freeman u.v.a.
Regie: Christopher Nolan
Drehbuch: Jonathan Nolan, Christopher Nolan
Kamera: Wally Pfister
Bildschnitt: Lee Smith
Musik: Hans Zimmer
Produktionsdesign: John Papsidera, Toby Whale
USA / 2012
zirka 164 Minuten