WRECK IT RALPH – Bundesstart 06.12.12
„Ich bin böse, und das ist gut. Ich werde nie gut sein, und das ist nichts Schlechtes. Es gibt niemanden, der ich an meiner Stelle sein möchte.“
Seit dreißig Jahren macht nun Randale Ralph kaputt, was unter seine gigantischen Fäuste kommt. Nun, eigentlich nur den Gebäudekomplex Niceland, wo die schockierten Bewohner bei jedem Vierteldollar nach Fix-It Felix um Hilfe rufen. Der strahlende Held, der am Ende eines gewonnenen Spieles eine goldene Medaille verdient. Ralph würde auch gerne eine Helden-Medaille bekommen, aber so ist er eben nicht programmiert. Als alle Figuren des Fix-It-Felix-Computerspiels zusammenkommen, um den dreißigsten Geburtstag zu feiern, ohne Ralph dazu einzuladen, reicht es dem gutmütigen Bösewicht. Er will auch einmal Held sein. Selbst wenn andere Schurken aus seiner Therapiegruppe für sinnkrisengeplagte Bösewichter ihm davon abraten.
WRECK-IT RALPH ist ein erstaunlicher Film, dessen Produktion eigentlich schon lange ausstand, nachdem bereits das geheime Eigenleben von Spielzeug in TOY STORY so überragend umgesetzt wurde. Blättert man etwas im Pressematerial, ist es auf der anderen Seite auch ein Glück für Film und Zuschauer, dass die Produktion nicht aus den Startlöchern kam. Denn bereits Mitte der Achtzigerjahre entwickelte Disney das Projekt HIGH SCORE, welches in die Welt von Spielhallen-Automaten eintauchen sollte. Es wurde weiter und weiter entwickelt, wobei Fix-It Felix immer als Held angedacht war. Nicht nur der Animationsfilm hat sich über die Jahre geändert, sondern auch die Computerspiele und das Sehverhalten junger Zuschauer sowie die Erwartungshaltung älterer Junggebliebener. Weil WRECK-IT RALPH erst jetzt realisiert wurde, kann der Film gleich drei Generationen von Computerspielern vereinen. Und er tut das nicht nur mit nostalgischem Blick, sondern mit der kraftvollen Magie moderner Erzählkunst, die jede Generation gleichberechtigt und respektvoll behandelt.
Wer WRECK-IT RALPH gesehen hat, aber weder Spielhallenspieler war noch Konsolenzocker ist, wird dies auf der Stelle fast ein bisschen bereuen. Denn man spürt im Film förmlich verschiedenste Anspielungen und verdeckte Hinweise, derer man vielleicht nicht gewahr wird, weil einem das entsprechende Spielewissen fehlt. Natürlich fallen in der Szenerie Segas blauer Sonic auf oder Q*bert, der orange Ball mit Nase. Figuren eben, die es zum Allgemeinwissen in unseren Alltag geschafft haben. Umso intensiver taucht man mit hinein in die Welt der Spielgeräte, wenn die Spieler die Halle verlassen haben und die Computercharaktere bunt gemischt durch den Hauptstromverteiler in jedes andere beliebige Spiel wandern können. Was für eine Welt entpuppt sich für jemanden, der selbst seit über dreißig Jahren intensiv auf Konsolenknöpfe hämmert. Gerade im Hauptverteiler, wo die Figuren abgeschalteter und ausgemusterter Automaten Zuflucht gefunden haben und um Nahrung betteln müssen. Auch wenn sich hier besonders intensiv die Nostalgie tummelt, versucht sich WRECK-IT RALPH nicht in Wehmut oder Tränendrüse. Es ist ein durch und durch froher Film, der mit gutem Tempo die Zuschauer aller Altersgruppen bei bester Laune hält.
Zugunsten von Mimik und Charakterbildung wurde bei Ralph und Felix letztendlich darauf verzichtet, sie tatsächlich komplett in ihrer 8-Bit-Graphik zu zeigen. Den Bewohnern von Niceland hingegen wurde ein alter Anstrich verpasst, indem man ihre Bewegungsabläufe nur abgehackt rechnete und auf das Nötigste beschränkte, ihre Gestalt entspricht auch mehr den unförmigen Klötzen aus den damaligen Automaten. Die wegen Störimpulsen aus dem Spiel ‚Sugar Rush‘ genommene Vanellope kommt ganz nach den Computerspielen der Neunziger bis hinein ins neue Jahrtausend. Und dann ist da Sergeant Calhoun, die kaltherzig wirkende Anführerin eines Trupps von Ego-Shooter-Avataren, die den photorealistischsten Anstrich angerechnet bekommen hat. Die Entwickler und Kreativabteilungen von WRECK-IT RALPH haben sich einiges einfallen lassen, um nicht nur den ehemaligen oder noch aktuellen Spieler anzusprechen. RALPH gelingt es aber auch mühelos, Zuschauer mit leichtem Halbwissen perfekt zu unterhalten. Für Groß und Klein ist bestens gesorgt, und somit für 101 Minuten großartige Unterhaltung mit viel Witz, einer unvermeidlichen Moral und etwas Nostalgie.
WRECK-IT RALPH ist einer von sehr wenigen Animationsfilmen, die mit der stereoskopischen Umsetzung kaum etwas anfangen zu wissen. Es gibt nur wenige Überraschungsmomente, wenn zum Beispiel der Zuschauer von der Grafikwelt über die Scheibe des Automaten in die Spielhalle sehen darf. Man könnte argumentieren, dass ‚Sugar Rush‘ selbst kein Spiel ist (war), das auf pseudo-dreidimensionaler Perspektive funktionierte. Aber zumindest bei Sergeant Calhouns ‚Heros Duty‘ hätte man wesentlich mehr Wert auf die Dreidimensionalität legen können. 3-D ist nicht der Weisheit letzter Schluss, und für einen gut erzählten und umgesetzten Film auch überhaupt nicht notwendig. Aber bei WRECK-IT RALPH wäre ein intensiveres Spiel mit den Ebenen möglich gewesen. Nicht mit den Ebenen des eigentlichen Sehens, sondern in Bezug auf die Erzählung, wo die Filmemacher den Zuschauer viel stärker mit diesen animierten Welten verbinden könnten.
RALPH REICHTS, und dem Zuschauer auch. Er wird bestens unterhalten, wird mit vielen Überraschungen belohnt und erfährt wieder einmal sehr intelligentes Kino, das sich nur oberflächlich als reiner Zeitvertreib zeigt. Denn wer im Zuschauerraum hat schon einmal darüber nachgedacht, was für Charaktere diese Figuren wirklich sind, die Tag für Tag eine anstrengende Rolle für einen lausigen Vierteldollar spielen müssen. Und was geschieht mit ihnen, wenn der Stecker endgültig gezogen wird?
Darsteller: (bis zum 08.12.12 waren selbst in der deutschen Synchronkartei nur wenige der wenigen deutschen Sprecher vermerkt)
Ralph: John C. Reilly / Christian Ulmen
Vanellope: Sarah Silverman / Anna Fischer
Fix-it Felix: Jack McBrayer / Kim Hasper
Sergeant Calhoun: Jane Lynch / Vera Teltz
King Candy: Alan Tudyk
Taffyta Muttonfudge: Mindy Kaling
Markowski: Joe Lo Truglio
Mr. Litwak: Ed O’Neill
General Hologram: Dennis Haysbert / Oliver Stritzel
Regie: Rich Moore
Drehbuch: Phil Johnston, Jennifer Lee
Bildschnitt: Tim Mertens
Musik: Henry Jackman
Animation-Supervisor: Renato dos Anjos
USA / 2012
zirka 101 Minuten