EDITORIAL: Keine Lust auf WANDERLUST

George und Linda sind das Paar, das man schon unzählige Male auf der Leinwand sehen konnte. Entweder in bitterbösen Dramen oder in aberwitzigen Komödien, aber auch in so lauwarmen Lustspielen, wie es WANDERLUST geworden ist. Zwei vom Erfolg verwöhnte Großstädter, die aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen, und in ein für sie ungewohntes Umfeld geworfen werden. Man kennt die Geschichte. WANDERLUST gibt sich Mühe, wirkt dabei manchmal bemüht, kann mitunter aber auch sehr lustig sein. Paul Rudd ist der charmante Typ Schwiegersohn, wie immer, und Jennifer Aniston ist einfach nur niedlich, wie immer. Wenn ich eine Komödie sehen will, ist WANDERLUST keine Geldverschwendung, aber auch kein Film, der hängen bleibt. Wenn ich eine Komödie sehen will, erwarte ich keinen Tiefgang, aber ein paar gute Lacher. Wenn ich eine Komödie sehen will, dann will ich nicht sehen, wie einer Robbe der Schädel eingeschlagen wird.

Da George gut verdient, kann Linda ihren stets wechselnden Leidenschaften frönen. Augenblicklich glaubt sie, sich als Dokumentarfilmerin verwirklichen zu müssen. Die Szene steht ziemlich am Anfang und spielt in einem Konferenzraum des Bezahlsenders HBO. Es ist eine der eigentlich witzigsten Szenen, wo das Timing perfekt ist und die Dialoge grandios verfasst sind. Um ehrlich zu sein, die witzigste Szene, neben dem umwerfenden Dialog mit der Immobilienmaklerin. Ein kompletter Film mit dem Witz und Tempo dieser beiden Szenen wäre eine Achterbahnfahrt des reinen Vergnügens. Aber Linda möchte ihre Dokumentation verkaufen, und darum geht es leider. Denn die HBO-Leute lehnen den Film noch während er läuft energisch ab, was Linda dazu bringt, entrüstet auf die Pausetaste zu drücken. Das Bild auf der Leinwand im Hintergrund gefriert in dem Augenblick, als ein Robbenjäger eine Eisenstange auf einen Heuler niedersausen lässt.

Selbst das ungeübte Auge erkennt, dass das verwendete Filmmaterial von Lindas Dokumentation Originalaufnahmen sind. Was bedeutet, dass diese Robbe eine Sekunde später gestorben ist. Es ist ein Bild, das sich einbrennt. Der weitere Verlauf der eigentlichen Szene ist so gut, dass man kurzzeitig sogar davon abgelenkt wird. Aber das Bild ist bereits im Kopf, und es wird nicht verschwinden. Ein Bild, das in keinerlei Kontext zur Szene selbst oder überhaupt für den Verlauf des Films wichtig ist, geschweige denn dass irgendein Bezug zu Lindas und Georges Geschichte selbst geboten wird. Man sieht nicht wirklich, wie diese Robbe erschlagen wird, deswegen sollte ich eigentlich nicht so reagieren. Aber ich habe die Gewissheit, dass nur eine Sekunde später etwas passiert, das nicht in eine Komödie gehört. Ich will das in einer Komödie nicht sehen.

Hätte es dem Film besser getan, wäre eine solche Szene im Studio mit Darstellern und Trickeffekten nachgestellt worden? Selbst wenn, es hat denselben Effekt, und es fehlt auch weiterhin jedweder Bezug. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, wenn Georges und Lindas Befreiungstrip im Selbstfindungsparadies ‚Elysium‘ tatsächlich das versprochene Schenkelklopfer-Dauerfeuer bieten würde, das die Werbung versprochen hat. Dabei darf man WANDERLUST keineswegs schlechter reden, als er tatsächlich ist. Er hat seine wirklich guten Momente, auch wenn manches absehbar bleibt. Die Typen in der Kommune sind eben einfach zu überzeichnet und verrückt, als dass die Auflösung wirklich das beinhalten könnte, auf das der Film vorgibt zuzulaufen. David Wain und Ken Marino hatten scheinbar etwas Respekt davor, richtig Gas zu geben. So hangelt sich die Komödie von einem gelungenen Gag zum anderen, hat dabei allerdings immer lange Strecken zu überwinden. Das sind die Momente, wo so mancher Zuschauer leicht einmal mit den Gedanken abschweifen könnte. Ich zum Beispiel, zu diesem einen Bild, das sich eingebrannt hat. Deswegen hat so etwas nichts in einer Komödie verloren.

Darsteller: Paul Rudd, Jennifer Aniston, Alan Alda, Justin Theroux, Joe Lo Truglio, Kerry Kenney, Lauren Ambrose, Malin Akerman, Kathryn Hahn, Ken Marino u.a.
Regie: David Wain
Drehbuch: David Wain, Ken Marino
Kamera: Michael Bonvillain
Bildschnitt: David Moritz, Robert Nassau
Musik: Craig Wedren
Produktionsdesign: Aaron Osborne
zirka 98 Minuten

Bildquelle: Universal Pictures International
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Editorial, Im Kino gesehen abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar