Found-Footage?! Wie sehr muss sich der Zuschauer eigentlich verarschen lassen? Der unsägliche APOLLO 18 war schon ein Tiefpunkt an inhaltlicher Glaubwürdigkeit und filmischer Umsetzung. Doch es gibt Abenteurer, die sich selbst zum Filmemacher erhoben haben, die so etwas noch unterbieten können. Die filmarchitektonische Limbostange ist bei DINOSAUR PROJECT auf den Boden gelegt worden.
Einmal im Ernst: Found-Footage kann seine Reize haben. Aber mit Dinosauriern? Mit seit Millionen von Jahren ausgestorbenen Tieren? Wie dehydriert sind Köpfe, die allen Ernstes an den Anfang ihres Films eine Tafel setzen, in der darauf hingewiesen wird, dass das folgende Filmmaterial original und unbearbeitet gezeigt wird? Mit Dinosauriern. Hier ist dem Zuschauer einfach bewusst, dass er nicht für voll genommen wird. Wesentlich sträflicher ist der Beschiss dieser sogenannten Filmemacher an der technischen Unwissenheit seines Zielpublikums. Der Zuschauer muss weder die Technik verstehen noch die Mechanismen des Filmemachens begreifen. Nicht der Zuschauende ist der Sorgfaltspflicht unterworfen. Es liegt in der Verantwortung der Filmschaffenden, sich dem Publikum gegenüber ehrlich zu verhalten.
Da haben wir die GoPro. Mag dem unbedarften Zuschauer nichts sagen, aber das sollte ja auch nicht notwendig sein. Im Film packt der Junge viele Kameras aus und heftet diese jedem an, der es möchte oder auch nicht. Found-Footage braucht ja auch genug Material. Der Junge sagt dazu, dass es Überwachungskameras sind mit unbeschränkter Aufnahmekapazität. Unbeschränkte Aufnahmekapazität? Wie soll das physikalisch funktionieren? Ganz offensichtlich sind aber die angeblichen Überwachungskameras Kameras der Firma GoPro. Die GoPro ist unverzichtbares Spielzeug der Skater- und BMX-Szene, weil sie so winzig ist, überall angebracht werden kann, bei guten Lichtverhältnissen perfekte Bilder liefert und bei jedem Radsturz oder Skateunfall unverwüstlich ist. Leider hat sie aber keine unbeschränkte Aufnahmekapazität.
Es darf Diskrepanzen geben zwischen dem, was man sieht, und dem, was gesagt wird. Gerade in einem Film dieser Gattung. Aber muss man bei solch fehlerhaften Aussagen tatsächlich immer und immer wieder eine in der Medienbranche und Skater-Szene hinlänglich bekannte und nicht zu verwechselnde Kamera zeigen? Damit aber nicht genug, denn neben der groben Ignoranz gegenüber den faktischen Fehlern fehlt den Filmemachern jedes Geschick fürs Filmemachen. Als da wären zum Beispiel die ersten Bilder, die von der bereits angesprochenen GoPro geschnitten sein sollen. Sind sie nicht, das sind Bilder einer normalen Filmkamera, weil die GoPro extrem weitwinklige Bilder macht. Zudem zeigt man Bildaussetzer, während ein Hubschrauber ins Trudeln kommt. Das mag dramatischer wirken, ist aber bei besagter Kamera lächerlich, weil vollkommen unrealistisch. Oder warum wird sie dazu hergenommen, um an Skateboards und Downhill-Räder gebunden zu werden? Nein, das sind keine kleinbürgerlichen Ansichten, nicht wenn sie derart geballt auftreten. Denn ich bin zahlender Zuschauer, ich habe das nicht verdient.
Aber weil ich gerade dabei bin: Warum ist die die Expedition begleitende Kamera am Boden, um erst den Abflug zu filmen, um dann aber in der Maschine aufzutauchen, nur um dann wieder die Landung vom Boden aus zu filmen. Aber dafür schneidet man immer wieder in Bildstörungen hinein auf eine andere Kameraperspektive. Ich verstehe wirklich nicht, wo diese Bildstörungen herkommen, denn nicht einmal die billigsten Kameras machen noch Bildfehler beim Ein- oder Ausschalten. Vielleicht ist es aber dann doch nur ein nachträglich eingesetzter Effekt, um alles ein wenig authentischer zu gestalten. Könnte man vermuten, denn man muss bei DINOSAUR PROJECT von so Vielem ablenken. Wie zum Beispiel von der Aussage, dass 5 Meter eine natürliche Spannweite für bestimmte Vögel sein kann. Sagt zumindest der Zoologe im Film, oder war es doch der Bierbrauer? Damit ist der sonst allseits angenommene Rekordhalter Wanderalbatros mit 3,6 Metern aber so was von draußen.
Es bleibt die Frage, ob diese Unsäglichkeit deswegen so geraten ist, weil ein Found-Footage-Film angeblich so viel verzeiht. Oder ob die Filmemacher tatsächlich so naiv und untalentiert sind. Gute, heimgefertigte Dinosaurier aus dem Computer sind ganz toll, täuschen aber lange nicht über eine nicht vorhandene Dramaturgie hinweg, und lassen auch filmtechnische Unkenntnis nicht irrelevant werden. Found-Footage ist tot. Das sollte man in den überheblichen Kreisen selbsternannter Filmemacher endlich einmal begreifen. Bloß, weil es billig zu produzieren ist und man sich vor so vielen dramaturgisch wichtigen Ansprüchen drücken kann, gibt es keine Rechtfertigung mehr für solche Filme. Nicht für Filme wie DINOSAUR PROJECT, wo ich es Sid Bennett, Tom Pridham und Jay Basu persönlich sehr übel nehme, dass sie mir dafür Geld aus der Tasche zogen.
Im Übrigen habe ich schon einmal eine GoPro in einem Bach versenkt. Aus den Knöpfen, aus dem Monitor, aus dem Schlitz für die Speicherkarte ist Wasser gelaufen. Nach zwei Stunden auf der Heizung war alles wieder wie es sein soll. Sogar die Aufnahme war auf der Karte gespeichert und einwandfrei. Sie tut nach 8 Monaten noch immer uneingeschränkt ihren Dienst.
THE DINOSAUR PROJECT
Darsteller: Natasha Loring, Matt Kane, Richard Dillane, Peter Brooke, Stephen Jennings u.a.
Regie: Sid Bennett
Drehbuch: Sid Bennett, Jay Basu, Tom Pridham
Kamera: Tom Pridham
Bildschnitt: Ben Lester
Musik: Richard Blair-Oliphant
USA / 2012
zirka 83 Minuten