Ewigkeiten lag dieser Film in den Regalen. Erst meldete MGM seinen Bankrott an. Nachdem alle Rechte geklärt waren, wollte das Studio den Film unbedingt für 3-D konvertieren. Dagegen liefen die Filmemacher Sturm, zum Glück, und so gingen drei Jahre ins Land, weil ja letztlich auch ein geeignetes Startwochenende gefunden werden wollte. Und hier ist endlich Joss Whedons selbst so betitelter „liebender Hassbrief“ an das Horrorgenre. Joss Whedon ist der Typ, der immer wieder mit Fernsehserien wie FIREFLY oder BUFFY mächtig viel Staub aufwirbelt und mit MARVELS AVENGERS den besten Mainstream-Popcorn-Film der letzten Jahre machte. Auch CABIN IN THE WOODS ist dann zum dem geworden, was Whedon mit Kollaborateur Drew Goddard erreichen wollte, nämlich ein Spiel mit neu gemischten Karten. Und es ist der erneute Beweis, dass jemand, der sich im jeweiligen Genre auskennt und es verinnerlicht hat, am intelligentesten damit umgehen und es variieren kann. So dürfte Joss Whedon nicht nur tosender Applaus entgegenschlagen, während sich andere Filmemacher zweifellos kräftig auf die Füße getreten fühlen.
An dieser Stelle sollte niemand weiterlesen, der nach dem Trailer noch immer zu dumm ist, die Geschichte von CABIN IN THE WOODS tatsächlich nicht zu überreißen. Aber kann man das nach dem Trailer tatsächlich? Fünf Jugendliche, oder sehr junge Erwachsene, brechen zu einem gemeinsamen Wochenende in einer abgelegenen Waldhütte auf. Vor dem Erreichen des Zieles kommt es zu einer Begegnung mit einem finster daherredenden Hinterwäldler-Tankwart. Lässt das noch Fragen offen? Der Film baut auf Klischees auf. Es gibt die Hure, den Athleten, den Narren, den Gelehrten und die Jungfrau. Da haben wir sie alle zusammen, die so oft das Programm des modernen Horrors bestimmt haben. Alle, die uns in ihrer einfallslosen Monotonie auch sehr oft genervt haben. Damit der Zuschauer sich hier nicht über die stupiden Stereotypen ärgert, unterschneidet man die eigentliche Handlung mit zwei Männern, die in einem großen Kontrollraum mit viel Monitoren und sehr vielen blinkenden Lichtern sitzen. Anfangs scheinen sie nur wirres Zeug zu reden, doch am Ende ergibt alles Sinn. Sind dann die Teenager in der Waldhütte tatsächlich noch die eigentliche Handlung?
CABIN IN THE WOODS läuft erfrischend kurzweilige 95 Minuten, und in diesen 95 Minuten verschiebt sich sehr oft der Kern der Handlung. Man braucht Josh Whedon und Drew Goddards eigene Aussagen nicht, um schnell zu begreifen, wen die Männer im Kontrollzentrum repräsentieren. Und nebenbei ist es ein wahres Vergnügen, Richard Jenkins und Bradley Whitford als Sitterson und Hadley zuzusehen. Ihre natürliche, fast kindische Ausgelassenheit wirkt ansteckend. Und die Wandlung von unbekümmerter Heiterkeit über Verzweiflung hin zum Entsetzen zeigt zwei Vollblutschauspieler in Höchstform. Aber wenn Sitterson und Hadley im Film die Drehbuchschreiber symbolisieren, welche Rolle übernimmt dann der Zuschauer? Ist er es in der allerletzten Einstellung des Films?
Der Horrorfilm wurde mit CABIN IN THE WOODS tatsächlich nicht neu erfunden. Aber wie er mit Erwartungen und Klischees, mit dem Aufbau und der Inszenierung spielt, das ist großartig und macht Laune. Dabei gibt es so viel zu entdecken. Allein auf der Tafel mit den Wetteinsätzen verweist jede Zeile auf andere Horror- und Gruselstreifen. Das ist als Beispiel die Liebe von Joss Whedon an das Genre. Wie er und Regisseur Goddard damit umgehen, verdeutlicht die Abscheu, was daraus geworden ist. Es gibt sehr blutige Szenen und sehr witzige Einfälle. Doch wenn das letzte Opfer gerade beim Ableben ist, steigt schon die große Party im Kontrollraum. Die Aufgabe ist vollbracht, es wird gelacht, es wird getrunken. Auf den großen Monitoren im Hintergrund nimmt ein Untoter diesem letzten Opfer den letzten Rest an Leben. Keiner beachtet mehr diese Bildschirme.
Genauso hat Goddard die Szene auch für den Zuschauer inszeniert. Das Sterben auf den Monitoren ist unscharf im Hintergrund, meist verdeckt von lachenden Gesichtern und zum Mund geführten Sektflaschen. Das ist in der Tat eine der nachhaltigsten Szenen, die zeigt, dass Horror nicht nur grenzwertige Schauwerte braucht. Aber wer glaubt, dass CABIN auf die Schauwerte verzichten würde, der wird in den letzten zwanzig Minuten sein blaues – oder blutiges – Wunder erleben. CABIN IN THE WOODS muss nicht unbedingt als innovative Neudefinition verstanden werden, aber dafür ist er konsequent. Bis zum letzten Bild.
Darsteller: Kristen Connolly, Chris Hemsworth, Anna Hutchison, Fran Kranz, Jesse Williams, Richard Jenkins, Bradley Whitford, Brian White, Amy Acker u.a.
Regie: Drew Goddard
Drehbuch: Joss Whedon, Drew Goddard
Kamera: Peter Deming
Bildschnitt: Lisa Lassek
Musik: David Julyan
Produktionsdesign: Martin Whist
USA / 2011
zirka 95 Minuten