„Du warst heute nicht allein. Du hast etwas gefühlt, was Tausend andere auch gefühlt haben. Und das war – Liebe.“
Der Monolog zum Schluss ist eine Erklärung, die zu spät kommt. Längst hat sich der Zuschauer verloren in einer irrationalen Bildgewaltigkeit und nur scheinbar unzusammenhängenden Weisheiten. Laut Produzenten sollte man die zwei Alben LOVE 1 und LOVE 2 der Rockband Angels & Airwaves gehört haben, um William Eubanks ambitioniertes Kunstwerk in seiner Gänze zu begreifen. In der Tat macht LOVE, der Film, den Eindruck, als käme man um Erklärhilfen nicht herum. Trotz seiner poetisch übersteigerten Ansprüche, kann man dennoch LOVE einiges abgewinnen. Zehn Videos wollten Angels & Airwaves für ihr in zwei Teilen erscheinendes Album haben, stattdessen ließ sich die Band dann doch auf das Abenteuer ein, William Eubanks Fantasie eines auf einer Raumstation gestrandeten Mannes zu finanzieren. Mit 500.000 Dollar und großartigen Kulissen in Papas Vorgarten entstand ein Film, der eine Symbiose mit dem Erscheinen des zweiten Album-Teiles eingehen sollte. Der Film als Werbung für die Musik, und umgekehrt.
Als Captain Lee Miller ist Gunner Wright der einzige an Bord einer Internationalen Raumstation. Irgendetwas passiert auf Erden, was sich für Miller nie erklärt, und dann verliert er den Kontakt zur menschlichen Zivilisation. Was im weiteren Verlauf passiert, wird dann für den Zuschauer unerklärt bleiben. Hier fordert William Eubank sein Publikum mit einer bizarren Mischung aus übertriebener Epik, und philosophischen Versatzstücken. Dazu gesellen sich thematische und optische Vorbilder wie MOON, SOLARIS oder am offensichtlichsten 2001: SPACE ODYSSEY, die nicht von der Hand zu weisen sind. Aber Eubank kreiert daraus seinen eigenen Film, ohne die filmischen Zitate in den Kontext zu seinen Vorbildern zu setzen. Sein Film findet Rechtfertigung als Verbindung zum Album LOVE von Angels & Airwaves und rechtfertigt sich gleichzeitig als Vision einer, ehrlich gesagt, nur schwer nachvollziehbaren humanistischen Theorie.
LOVE beginnt mit Szenen von Schlachten aus dem amerikanischen Sezessionskrieg und springt unvermittelt zu der mit nur einem Mann besetzten ISS zweihundert Jahre später. Wie sich diese beiden immer wieder überschneidenden Handlungsstränge zusammenfinden, ist letztendlich die Aufgabe des Zuschauers. Dass Filmautor Eubanks diesen Zusammenhang als selbstverständlich betrachtet, sieht man daran, wie selbstverständlich er erklärenden Beziehungen ausweicht. Doch wie er den Zuschauer in den Prozess der Willensbildung einbindet, kann man nur als radikale Kunst deklarieren. Wer LOVE unvorbereitet als Science-Fiction-Abenteuer erleben möchte, wird sein philosophisches Wunder erleben.
Dafür wird der Zuschauer von einer Bilderwucht überwältigt, welche die Grenzen des herkömmlichen Kinos sprengen. Mit zwei Phantom-Kameras und der Unterstützung der Kameraabteilung von Panavision, gestaltete Eubank einzigartige Bilder und Sequenzen, die allein schon das Publikum im Kino in freudige Erregung versetzten ob ihrer Brillanz und atemberaubenden Gestaltung. Der Regisseur zeigt sich auch als Meister der Inszenierung, wenn es um die Schwerkraft in der Raumstation geht. Obwohl sich Gunner Wright völlig normal bewegt und auch über den Boden läuft, vermitteln fließende Bewegungen der Kameras und ihre untersichtigen Einstellungen ein nicht fassbares Gefühl von Schwerelosigkeit.
Das der Film die Geister scheiden wird, bleibt nicht aus. Die philosophischen und experimentellen Ansätze sind einfach zu dominant. Dafür ist die optische Umsetzung einfach überwältigend. Dabei sei es dahingestellt, ob man jetzt LOVE 1 und 2 von Angels & Airwaves gehört haben sollte, denn William Eubank hat doch einen sehr eigenständigen Film gemacht. Einen Film, der herausfordert, der auch in der Lage ist mit seinen Ansätzen zu provozieren, und der sich aber konsequent treu bleibt. Und das mit läppischen 500.000 Dollar und vier Jahren Drehzeit. William Eubank hatte eine ganz klare Vision, die für den Zuschauer zum Experiment wird.
LOVE wird in Deutschland am 27.04.2012 auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht.
Angels & Airwaves’ Love
Darsteller: Gunner Wright, Corey Richardson, Bradles Horne, Nancy Stelle, Roger Fanter u.a.
Regie & Drehbuch & Kamera & Produktionsdesign: William Eubank
Bildschnitt: Brian Berdan, Scott Chestnut
Musik: Angels & Airwaves
USA / 2011
zirka 90 Minuten