Nach Jahren der erfolgreichen Zusammenarbeit könnte dies Nick Frosts großer Sprung werden. Sonst der lustige, dicke Sidekick von Simon Pegg, steht er hier als gleichberechtigter Drehbuchautor neben seinem vertrauten Filmpartner. Macht das PAUL zu dem, was man von diesem Film erwarten möchte?
Die Zusammenarbeit mit Regisseur Edgar Wright hat Pegg und Frost schwindelerregend schnell aufsteigen lassen. Die in Deutschland kaum bekannte Fernsehserie SPACED und der aus dieser Arbeit resultierende Kinofilm SHAUN OF THE DEAD waren ein schreiend komisches Panoptikum für alle Fanboys und -girls, aber gerissen genug, auch den unvoreingenommenen Zuschauer bestens unterhalten zu können. Serie wie Film strotzten dennoch derart von Insiderwissen und Zitaten, dass selbst dem aufmerksamsten Nerd schwindelig werden musste. Nicht ganz in dieser Liga, aber immer noch extrem überraschend, turbulent und wohl durchdacht konnten die Partner Pegg und Frost unter Wrights Regie in HOT FUZZ erneut das Publikum begeistern.
Diese Vorlagen sind natürlich alles andere als leicht zu kopierende Erfolge. Vielleicht tut es da ganz gut, dass PAUL unter der Regie von Greg Mottola gleich einen anderen Ton anschlägt. Auch wenn es die Werbung verspricht und der Zuschauer dies erwartet, will PAUL gar nicht die Science-Fiction-Variante von SHAUN sein. Doch leider ist sein Konzept so nah an den Arbeiten des Dreigestirns Wright, Pegg und Frost, dass Vergleiche nicht nur zwangsläufig sind, sondern PAUL als einen schlechteren Film dastehen lassen, als er in Wirklichkeit ist.
Greame und Clive sind zwei ganz normale Nerds. Sie lesen und schreiben Comics, sprechen klingonisch und projizieren Filmzitate auf das wirkliche Leben. Die beiden Engländer machen Urlaub in Amerika, wo sie erst die Comic-Con in San Diego besuchen und sich anschließend auf die Reise begeben, bekannte Plätze von Verschwörungstheorien und Ufo-Landungen zu besuchen. Die Reise wird zu einem feuchten Traum eines jeden Geeks. Bis die Realität sie einholt – und zwar buchstäblich in Form eines sich überschlagenden Wagens.
Auffallend angenehm ist die Charakterisierung der Figuren, die kein bisschen überdreht oder abgehoben gezeichnet sind und dadurch sehr glaubwürdige und ehrliche Fanboys darstellen. Wahrscheinlich, weil Pegg und Frost diese Fanboys eben auch im wirklichen Leben sind. Zudem auf der echten Comic-Con zu drehen, ist natürlich ein perfektes Spiel mit Realität und filmischer Vorgabe in Reinkultur.
„Wirst du uns mit einer Sonde untersuchen?“
„Warum nimmt das jeder an? Was tu ich? Ernte ich Fürze? Wie viel kann ich von einem Arsch lernen?”
Manche Sprüche sind überraschend, einige erwartet man. Paul selbst ist ein Alien, das man einfach genau so erwartet, wenn man sich einen Außerirdischen einmal anders vorstellt. Das Problem dabei ist, dass der außerirdische Paul nichts anderes symbolisiert als einen durchgeknallten, aber menschlichen Freigeist. Ein Außerirdischer, der vollständig den Begriffen menschlicher Moral habhaft ist, wenngleich er ständig dagegen zu verstoßen scheint. Bis auf die hinlänglich ausgeschlachtete Vogel-Szene bietet der Außerirdische keinerlei Überraschungen. Sein menschlicher Habitus ist ihm viel näher und wirkt nur absurd aufgrund seiner unendlich fernen Heimat.
Wenn PAUL auch konventioneller inszeniert ist als andere Pegg/Frost-Produktionen, hat er seine Hausaufgaben doch zur vollsten Zufriedenheit erledigt und im Abschlusstest bestanden. Der Film hat alle notwendigen und auch nicht notwendigen Zutaten, die ein klassischer Film haben muss. Das Tempo der Inszenierung ist perfekt, Kamera und Schnitt sind tadellos und die Spezial-Effekte perfekt. Die Darsteller überzeugen allesamt mit ihren Figuren, wobei sich Jason Bateman als knallharter Secret-Service-Mann etwas abhebt.
Und das Drehbuch von Frost und Pegg? Es deckt die komplette Palette Humor ab, ist oft brüllend komisch und manchmal absehbar, aber auch subtile Zwischentöne werden herausgespielt. Wie zu erwarten, ist PAUL ein einziger Zitatenschatz geworden. Die Bandbreite dabei ist kaum überschaubar und macht vor keinem Genre-Film halt. Man sieht sogar ein Kino, das einen Film spielt, der eigentlich eine Fernsehproduktion ist. Nur mit Spielberg haben es die Autoren ein wenig übertrieben, den man im Original auch hören kann. Viel weniger E.T. und noch weniger UNHEIMLICHE BEGEGNUNG hätten Paul wirklich gut getan.
Nur mit der Religionsfrage haben es sich die Macher doch zu leicht gemacht. Etwas platt springen sie auf den momentan populären Zug von ‚Kirche verprügeln‘ auf. Eine differenziertere Auseinandersetzung mit dem Thema Religion gegen Evolution hätte dem Film eine ganz eigene, besondere Note verleihen können. Macht das PAUL zu einem schlechteren Film? Kaum. Der sonst lustige, dicke Sidekick von Simon Pegg hat mit seinem Co-Autoren einen durchweg unterhaltsamen Film geschrieben, der schlichtweg Spaß macht und ein ganz besonderes Vergnügen für Fanboys und -girls bietet. Nick Frost und Simon Pegg wissen eben, was das Herz der Genre-Freaks erfreut.
Wer immer von diesem Film wesentlich mehr erwartet hat, wird trotz allem nicht enttäuscht. Und mit Edgar Wright wäre es ein wesentlich anarchischerer Film geworden. Aber das ist nur so ein Nerd-Gedanke.
Darsteller: Simon Pegg, Nick Frost, Seth Rogen, Jason Bateman, Kristen Wiig, Joe Lo Truglio, Bill Hader u.a.
Regie: Greg Mottola – Drehbuch: Nick Frost, Simon Pegg – Kamera: Lawrence Sher – Bildschnitt: Chris Dickens – Musik: David Arnold – Produktionsdesign: Jefferson Sage
USA / 2010 – zirka 104 Minuten