Ricky Gervais kommt also wieder. Es hat einige Zeit gebraucht, bis sich der ausrichtende Sender NBC mit dem verantwortlichen Veranstalter Hollywood Foreign Press Association HFPA einig war. Man muss sich allerdings wundern, warum Gervais überhaupt ein drittes Mal ins Gespräch gebracht wurde, als Moderator zu fungieren. „Ich habe sie gewarnt“, musste sich die ungestüme Zeitbombe bei der letzten Show bereits im Monolog in Richtung HFPA entschuldigen, als er mit seinen Sprüchen weit unter die Gürtellinie schlug.
Kurz nach der Entscheidung, Gervais ein drittes, dafür letztes Mal moderieren zu lassen, lieferte das britische Ungestüm umgehend eine persönliche Erklärung. Die Aufreger bei der letzten Show wären nur unverhältnismäßig hoch bewertet worden, meint er in seinem Blog, aber in der kommenden Show wird jeder noch so kleine Aufreger seine absolute Berechtigung finden. Wer das Vergangene kennt, wird um das Neue fürchten müssen. Oder wird er nur das Pulverfass markieren, um letztendlich ein fürchtendes Publikum angenehm zu überraschen?
Gervais braucht gar nicht so weit zu greifen, um Zotiges aus dem Hut zu zaubern. Die HFPA selbst hat sich mit den diesjährigen Nominierungen selbst als Zielscheibe aufgestellt. Die mit ihrem filmischen Metier vertrauten Journalisten und Blogger rund um den Erdball gaben unisono einen Aufschrei des Unverständnisses zum Besten über manche der Nominierungen. So stellt man die vierfache Aufstellung George Clooneys in Frage, ist sich über eine mangelnde Präsenz von „Breaking Bad“ einig, lamentiert Ryan Goslings als besten Hauptdarsteller für „Crazy, Stupid, Love“ oder wundert sich über „Iden des März“ als bester Film und vermisst bei den besten Songs etwas von den „Muppets“.
Nun ist es ja nicht so, dass man die HFPA, genauso wenig die Oscar-Academy, jemals für die Ausgeburten demokratischen Wahlverhaltens gehalten hatte. Doch während sich die Academy mit den Oscars bekannterweise selbst feiert, daraus auch keinen Hehl macht, und die jeweiligen Kategorien wenigstens von den jeweils zugehörigen Abteilungen gewählt werden, erwartet man von einer Vereinigung von Pressevertretern ein integeres Auswahlverfahren. Diesbezüglich hat die HFPA schon des Öfteren im Kreuzfeuer der Kritik gestanden. Die undurchsichtigen Methoden der Hollywood Foreign Press Association haben bereits 1968 dazu geführt, dass NBC sechs Jahre lang keine Preisverleihung ausstrahlte. Seinerzeit nahm sich die HFPA das nicht offen ausgesprochene Recht heraus, nur Künstler zu nominieren, die für das Prestige der Show auch tatsächlich anwesend sein würden. Dem Sender NBC war das eine Spur zu heikel und man trat die Flucht nach vorne an und verbannte die Golden-Globe-Awards aus dem Programm.
Print- und Netzwelt war sich selten so einig, dass in diesem Jahr die Golden Globes weit an den Zielen vorbeigeschossen haben. Nun, das ein oder andere Lamento dürfte zur Streitfrage werden, doch im weitesten Sinne bleiben einige Namensnennungen und Filmtitel in der Liste kurios. Und Ricky Gervais ungehaltenes Temperament wird es sein, darauf einzugehen, und dies nicht nur mit unschönen, sondern auch sehr tief schlagenden Worten. Zielscheiben sind genug aufgestellt. Während ein Jahr zuvor lediglich die Nominierung von „The Tourist“ für gerechtfertigten Spott sorgte, Gervais ansonsten nur persönliche Rundumschläge verteilte, sind dieses Jahr schlichtweg zu viele Steilvorlagen allein von den Nominierungen her gegeben.
Immer und immer wieder werden die Vorwürfe der Vorteilnahme laut, verstummen nur scheinbar und pegeln sich wieder höher. Sehr schlau stellt sich der illustre Kreis von Damen und Herren der Hollywood Foreign Press Association dabei nicht an. Doch es war eben auch Gervais, der 2011 die Gäste mit den Worten begrüßte: „Willkommen zu einer Nacht zum Feiern und starken Trinken“. Ist es nicht das, weswegen diese Show tatsächlich gesehen wird? Immer ist jemand im Bild, den man kennt, aus Funk und Fernsehen, von DVD und Leinwand. Hand hoch, wer wirklich Berenice Bejo zur Dankesrede auf der Bühne sehen will! Sie mag es verdient haben, kein Zweifel. Aber der geneigte Partyhengst und Verleihungsfetischist bevorzugt doch lieber einen flotten Spruch von George Clooney, wenn er einen Preis entgegennimmt. Augenblick, kann es sein, dass er deswegen vier Mal nominiert ist?
Spätestens, wenn „Iden des März“ bestes Drama werden sollte, kann man die Golden-Globe-Awards in ihrer Wichtigkeit richtig einsortieren. Aber man kann sich doch immer wieder an Nicole Kidman erfreuen, wie sie sich verschämt die Hand vor den Mund hält. Oder sich über Robert Downey Jr. lustig machen, wie er mit diesem bestimmten Blick von der Bühne lächelt, der bestätigt, er wäre Iron Man. Und es gibt dieses Publikum, das keinen Plan hat, ob es über Ricky Gervais lachen oder ihn ausbuhen soll. Muss man da dem Preis an sich wirklich so viel Bedeutung beimessen, wenn der Unterhaltungsfaktor der Show überwiegt?