Christopher Morris‘ Film ist kein Aufruf gegen ein System, das junge Männer für eine falsche Sache verführt. Es ist auch kein Film, der die Frage stellt, ob man sich über den Islam lustig machen darf. Reichsbedenkenträger fürchteten ja in den jeweiligen Ländern schon um die Kinos, in denen FOUR LIONS gezeigt werden sollte. Und wer glaubt, einen tieferen Einblick auf Islam, Koran, Mudschahedin oder Fundamentalismus gewährt zu bekommen, der wird von Morris enttäuscht werden. Es ist nur ein Film über fünf Menschen, die sich selbst radikalisiert haben. Und er handelt davon, wie man es nicht macht.
England heute. Omar, echter Pakistani, ist der Anführer, und sein Platz wird ihm immer wieder von Barry streitig gemacht, einem englischen Konvertiten. Was die vier, übergangsweise sind sie auch mal zu fünft, tatsächlich in den Glauben versetzte, den Märtyrertod sterben zu müssen, bleibt unklar. Aber sie arbeiten verbissen daran, sich Bomben zu basteln, Bekennervideos aufzunehmen und Raben zu trainieren. Nur über das Ziel sind sie sich nicht einig.
Auch wenn die Inszenierung genügend Slapstick bereithält, ist FOUR LIONS zu keiner Zeit flach, und behilft sich auch keinerlei Standards. Es ist eine englische Komödie, die abwechselnd schreiend komisch ist, bitterböse sein kann, viel Wortwitz hat und bei der einem das Lachen im Hals stecken bleiben kann. Streckenweise kommt Regisseur Morris seinen Figuren etwas zu nah, und da wird der Film für den Zuschauer schwierig. Denn die Figuren sind nicht einfach nur Trottel, es sind sehr liebenswerte Trottel. Wie sie sich geradezu kindlich freuen, wenn sie die ersten erfolgreichen Explosionstests machen. Oder wenn keiner der fünf es schafft, einmal ein vernünftiges Märtyrervideo aufzuzeichnen, sondern ständig von einem anderen dabei unterbrochen wird.
Lol Crawleys Kameraarbeit fügt dem Ganzen noch eine ganz besondere Note zu. Seine Schulterkamera ist verhältnismäßig ruhig, die Bilder sind immer klar. Die vermasselten Bekenner-Aufzeichnungen werden auch aus der Sicht der dazu verwendeten Kamera gezeigt. Das macht die ohnehin komischen Situationen noch eine Spur absurder. Die Darsteller sind durch die Bank ein Volltreffer, wenn man dieses Wortspiel benutzen darf. Wobei der Schwerpunkt auf Riz Ahmed als Omar und Nigel Lindsay als Barry liegen. Aber das schmälert keineswegs das auf den Punkt sitzende Spiel der anderen Darsteller. Und das Drehbuch gibt ihnen dabei reichlich zu tun, um diese Leistungen ständig zur Schau zu stellen.
Doch nicht nur der Wahnsinn hinter der Ernsthaftigkeit eines Selbstmordattentäters wird aufs Korn genommen. Auch der Irrwitz des Antiterrorkampfes bekommt seine verdienten Szenen, wenn eine Einheit ausgerechnet die Gruppe Moslems dingfest macht, die zum Frieden aufruft, und Omar eisern zu überzeugen versucht, dass er sein Selbstmordvorhaben aufgeben soll. Später soll ein Scharfschütze einen Attentäter im Bärenkostüm ausschalten, und dieser schießt einen Star-Wars-Fan im Wookie-Outfit nieder, weil er den Unterschied nicht kennt. Mit dem begleitenden Dialog sorgt die Szene für tosenden Publikumsapplaus, unter Tränen.
Doch wenn Omar mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn so nebenbei und belanglos klingend immer wieder die Bombenpläne und Märtyrerabsichten bespricht, dann gesellt sich zu dem Gekicher ob dieser absurden Situation auch sehr viel gesträubtes Nackenhaar. Hier schafft es Morris in der Erzählung, den Zuschauer wieder auf den Boden zurückzuholen. Aber nur, um dann möglichst schnell wieder mit Unvorhersehbarem zu überraschen.
Das ist eben das Schöne, das Besondere an FOUR LIONS. Er überrascht immer und immer wieder, und hat dabei seinen vollkommen eigenen Humor, ohne sich auch nur ein einziges Mal woanders bedienen zu müssen. Und man kann so viel Politik und moralische Wertung herausziehen, wie man selbst bereit ist, sich damit auseinandersetzen zu wollen. Der Film selbst verweigert vehement ein Statement und macht niemals Stimmung. Und das macht ihn auch sehr intelligent.
Darsteller: Riz Ahmed, Arsher Ali, Nigel Lindsay, Kayvan Novak, Adeel Akhtar, Benedict Cumberbatch, Julia Davis, Preeya Kalidas, Craig Parkinson u.a.
Regie: Chris Morris – Drehbuch: Sam Bain, Jesse Armstrong, Chris Morris, Simon Blackwell – Kamera: Lol Crawley – Bildschnitt: Billy Sneddon – Produktiosdesign: Dick Lunn
Großbritannien/2010 – zirka 102 Minuten