Wer nicht unbedingt blutiges Gekröse für ein angenehmes Gruselfest braucht, ist hier genau richtig. Wer dem nervenzehrenden Kitzel langer Einstellungen ohne begleitendem Ton etwas abgewinnen kann, kommt hieran nicht vorbei. Der zweite Aufguss der paranormalen Aktivitäten ist ein clever ausgedachtes Stück, das an keiner Stelle besser ist als sein Vorgänger, aber Freunden und Anhängern des ersten Teils genau das bietet, was sie gerne erleben möchten.
Der Film erzählt die Vorgeschichte, die zu den Ereignissen des ersten Teils führt. So bekommt man die im ersten Teil dahingegangenen Protagonisten Katie und Micah noch einmal zu sehen, wenngleich nur als schmückendes Beiwerk in der von einem Dämon heimgesuchten Familie von Katies Schwester Kristi. Doch tatsächlich schafft das Autoren-Dreiergespann eine plausible Brücke, die beide Filme akzeptabel verbindet. Lediglich die teilweise absurden Zwischentitel lenken mehr ab, als dass sie Erklärungen liefern. Gerade Neueinsteiger dürften mit wahllos eingestreuten Einblendungen wie „noch sechzig Tage bis zum Tod von Micah“ eher das Gefühl bekommen, Elementares versäumt zu haben. Und das, obwohl diese Tafeln eher belanglos sind und keinen Zweck erfüllen.
Eine der letzten Szenen schließt nahtlos an den Beginn des ersten Teils an und hätte ein glaubwürdiges, weil befriedigendes Ende sein können. Wenn nur die Verantwortlichen nicht zwanghaft davon besessen gewesen wären, die Brücke zu einem dritten Teil schlagen zu wollen. Besessenheit mag ja eine wichtige Rolle innerhalb der Filme spielen, aber beim Produzieren ebensolcher Filme sollte man sich dahingehend im Griff haben. Zirkulierten bisher drei verschiedene Enden des ersten Teiles, werden mit dem etwas zwanghaft herbeigeführten Ende von Teil zwei die sogenannte Festival-Version und die Blu-ray-Endung von Oren Pelis Überraschungshit obsolet. Nur die Kinofassung behält ihre Legitimation.
Der größte Feind von PARANORMAL ACTIVITY 2 ist allerdings das Publikum selber. Genau wie der Vorgänger funktioniert dieser Teil kaum im stillen Kämmerlein bei Kartoffelchips und Kerzenschein. Die Wirkung entfaltet sich beim kollektiven Schockerlebnis eines Kinos. Doch gerade da offenbart sich die größte Schwachstelle des Films, wie man den nicht zu überhörenden Unmutsäußerungen eines gruselwilligen Publikums entnehmen kann. Regisseur Tod Williams lässt sich unverschämt lange Zeit, Charaktere einzuführen und Atmosphäre aufzubauen. Für ein Publikum, das ganz genau weiß, worauf es sich „freuen“ kann und was zu erwarten ist, werden die ersten 35 Minuten zur peinigenden Qual. Denn die Charaktere sind ohnehin nur Katalysatoren für die eigene Bereitschaft, sich dem Terror des Ungewissen auszusetzen. Hier zerfällt das Heim als Hort der persönlichen Behaglichkeit zu einem Alptraum nicht steuerbarer Ereignisse. Gepaart mit den enervierenden Längen verschiedener Einstellungen, während derer jederzeit etwas auf den Zuschauer zuspringen kann oder mit einem lauten Knall die grauenerregende Stille zerrissen wird, sind das die Standards des Gruselkinos, die seit Anbeginn Wirkung zeigten und keine Ermüdungserscheinungen kennen. Hier, wie bei Teil eins, werden diese billigen, aber immer wieder wirkungsvollen Effekte auf das Äußerste ausgereizt.
Trotz seiner eigentlich allzu offensichtlichen Schwächen ist PA 2 insgesamt kein schwacher Film. Er unterhält in seinem Rahmen wirklich sehr geschickt. Und allen Widrig- und Unsinnigkeiten zum Trotz kommt er seiner Bestimmung nach, obwohl er nicht das Geringste an Neuem zu bieten hat. Dass es dabei ein Film ist, der in dem mittlerweile sehr breit gefächerten Spielraum von Horrorkost nur ein kleines Spektrum an Grusel-Freunden ansprechen wird, muss berücksichtigt werden. Weder wird der Ekelfaktor bemüht, noch verschreibt sich der Film seinen Figuren. Das Höher-schneller-weiter als alte Fortsetzungsregel wird in diesem Fall mit einer größeren Anzahl aufzeichnender Kameras und einer jetzt vierköpfigen Familie bewerkstelligt. Dazu ein Kleinkind und ein Hund, das erhöht den Leidensdruck natürlich beträchtlich.
Gerade weil die die Zutaten und Abläufe bekannt sind, vergeht leider viel zu viel Zeit mit dem Aufbau der eigentlichen Geschichte. Der Film könnte um gut 15 Minuten kürzer sein, um eine effektivere Ausbeute an Schock- und Gruselelementen zu haben. Aber hat der heimsuchende Dämon erst einmal seine polternde Arbeit begonnen, wird es schwerer und schwerer, die Hände von den Augen zu nehmen. Alles ist möglich, in allen Einstellungen, welche manchmal wirklich quälend lange stehen. Und spätestens, wenn sich in einem Kamerablickwinkel schließlich der sich bewegende Schatten des Dämons zeigt, wird aus den albernen Frotzeleien im Publikum verunsichertes und gequältes Gekicher. Dann hat der Film seine Zuschauer dort, wo es wirklich weh tut: an den blanken Nervensträngen.
Das Budget hat sich von 15.000 Dollar auf 3 Millionen erhöht. Die Produktionszeit von 3 Jahren auf 9 Monate verkürzt. Von einem höheren Budget allerdings merkt man während des gesamten Films nichts. Das liegt natürlich auch an den Voraussetzungen, das Erscheinungsbild so real wie möglich zu halten. Doch muss die Frage gestattet sein, wie dieses Budget zustande kommt, wenn Oren Peli mit dem ersten Film das Publikum für ein Zweihundertstel zum Fürchten brachte. Dass Kühe gemolken werden, bis der Euter faltig wird, ist hinlänglich bekannt. Und für Hollywood-Standards ist das Budget trotzdem noch geradezu lächerlich. Dadurch steht zu befürchten, dass Paramount eine Kuh gefunden hat, die nach dem Vorbild von SAW nun jedes Jahr zu Halloween beste Milch geben soll.
So wirkungsvoll sich PARANORMAL ACTIVITY 2 auch zeigt, so klar sollte auch sein, dass sich schon jetzt eine weitere Geschichte innerhalb der bereits gesehenen Ereignisse höchstwahrscheinlich totlaufen würde. Das noch frisch wirkende Genre des Found-Footage-Thrillers ist zwar noch lange nicht ausgereizt, aber dafür bedarf es kreativer Köpfe wie Oren Peli, der vor zwei Jahren mit PARANORMAL ACTIVITY für Furore sorgte. Dank der zu erwartenden Einspielergebnisse wird auch Teil zwei für Furore sorgen. Damit sollte es dann aber gut sein. Es sei denn, man hat tatsächlich einen Knüller in der Hinterhand. Man kann ein Genre ausreizen, das Vertrauen des hingebungsvollen Zuschauers allerdings nicht.
Darsteller: Sprague Grayden, Brian Boland, Molly Ephraim, Tim Clemens, Katie Featherston, Micah Sloat u.a.
Regie: Tod Williams – Drehbuch: Michael Perry, Tom Pabst, Christopher Landon – Kamera: Michael Simmonds – Bildschnitt: Gregory Plotkin
USA / 2010 – zirka 91 Minuten